Schafkopf
noch nicht genau. Aber irgendwas muss ich ja machen.«
»Dein Opa ist erwachsen.«
»Komischerweise hab ich trotzdem den Eindruck, dass ich auf ihn aufpassen muss.«
»Soll ich mitkommen?«
»Danke. Aber das muss ich alleine klären.«
Er gab Vera einen Kuss und verschwand.
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28 . Kapitel
D as Haus hatte aus der Mode gekommene Doppelfenster, teils wackelig und schief, zwei Scheiben mit Sprung. Die Wandfarbe – einst helles Ocker – blätterte an mehreren Stellen ab und verhalf dem grauen Verputz zu frischer Luft. Neben der in schmutzigem Grün gehaltenen Eingangstür hing ein Klingelbrett aus weißem Kunststoff. Es wirkte in der schmuddeligen Umgebung, als habe man es eben erst aus der Verpackung genommen. Mehrere Namen standen darauf. Keiner der sechs Bewohner hatte seinen Vornamen aufs Klingelschild gesetzt. Wallner öffnete die Haustür, die nur angelehnt und vermutlich ohnehin nicht abzuschließen war, und machte sich auf den Weg durch die Flure. Es roch modrig. Kohldunst und Zigarettenrauch hatten sich über die Jahrzehnte in Wände und Treppengeländer gefressen. Der hölzerne Handlauf klebte.
Im ersten Stock hörte Wallner das Lachen einer jungen Frau, das ihn zu einer Wohnungstür führte. Er starrte die Tür lange an. LUCREZIA BEISL stand auf dem Schild, das etwas unter Wallners Augenhöhe angebracht war. Immer wieder hörte er das Mädchenlachen und einmal auch die Stimme seines Großvaters. Wallner zögerte, fragte sich, was er da gerade vorhatte. Sollte er hineingehen und seinen Großvater aus der Wohnung zerren? Manfred war erwachsen und im Vollbesitz seiner geistigen und – jedenfalls in wesentlichen Bereichen – auch seiner körperlichen Kräfte. Dass seine erfreulich intakte Testosteronproduktion ihm den Verstand eintrübte, war unbezweifelbar, kam aber auch bei jüngeren Männern vor.
Wallner klopfte. Kräftig. Das Lachen hörte auf. Schritte waren aber nicht zu hören. Wallner klopfte erneut. Jetzt rührte sich etwas hinter der Tür. Kurze trippelnde Schritte. Die Tür wurde geöffnet.
Lucrezia Beisl war höchstens fünfundzwanzig, trug lila Leggins, an den Füßen Slipper mit Zwölfzentimeterabsätzen. Oben ein Tank Top, darüber ein Herrenhemd von van Laack. Die Haare waren kurz und schwarz, die Augen braun und lustig, und an Kajal war nicht gespart worden. Das Violett des Lippenstifts passte in etwa zu den Leggins. Die Backen waren ein bisschen drall, leichte Anlage zum Doppelkinn. Das Mädchen würde in zehn Jahren Gewichtsprobleme haben. Im Augenblick war es einfach nur jung und hübsch und mit einem burschikosen Lachen im Gesicht.
»Servas«, sagte Lucrezia mit Wiener Akzent und auf eine Art, dass man hätte meinen können, Wallner sei ein alter Bekannter.
»Grüß Gott.« Wallner zögerte, musterte das Mädchen in der Hoffnung, etwas an ihr zu finden, das seinen Verdacht entkräftete. Er fand aber nichts. Nur Dinge, die sein Vorurteil massiv bestätigten. »Sie sind Lucrezia Beisl?«
Lucrezia schaute auf das Türschild mit ihrem Namen, dann lachte sie Wallner an. »Wann’s da steht, wird’s wohl stimmen.«
Wallner lächelte verbindlich. »Was glauben Sie, wer einem alles Wohnungstüren aufmacht! Hausbesetzer, Putzfrauen, Verwandte. Das kann peinlich werden, wenn man gleich mit seinem Anliegen loslegt.«
»Stimmt. Gibt’s eh olles«, lachte Lucrezia. »Bist a Lustiger, ha?«
»Ja, manchmal sitzt mir der Schalk im Nacken. Weshalb ich eigentlich da bin …« Wallner stockte, er wollte es jetzt nicht versauen. »Wie soll ich sagen …«
»Scho klar. Is aber im Augenblick schlecht, weil ich hab Besuch. Waaßt eh. Wie schaut’s in a Stund aus? Sieben?«
»Ah, Besuch. Was weiß ich da eh?«
»Ja net, wer’s is. Aber – ja dass ich mich eben um meinen Besuch kümmern muss, net? Sagt man halt so.«
»Wer ist denn zu Besuch?«
Lucrezia starrte Wallner ungläubig an. »Entschuldige bittschön, des fragt man doch net.«
»Ja, Sie haben recht. Sagen Sie dem Herrn bitte, dass ich vor dem Haus auf ihn warte.«
Lucrezia schwieg, dachte nach, wusste mit der Situation wenig anzufangen. »Und was sag ich ihm, wer wartet?«
»Sein Enkel.«
Lucrezia nickte. Ihre Unbeschwertheit hatte sich verflüchtigt. Mit einem Mal war sie vorsichtig, auf der Hut vor dem fremden Mann, der an ihrer Haustür stand, aber keine Zeit mit ihr verbringen, sondern mit seinem Großvater reden wollte. Sorgfältig glitt ihr Blick an Wallner entlang und registrierte jede
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