Schafkopf
mehr ins Flusstal hinunterfahren sollte. Sondern nach Hause. Das Geld in Sicherheit bringen.
Der Wagen rollte die kleine Straße zur Mangfall hinunter. Die Nacht war mondlos und pechschwarz. Nur das Stück Straße, das im Scheinwerferlicht lag, war zu sehen. Niemand kam ihnen entgegen. Falcking beruhigte sich. Noch zwei Minuten. Dann würde er die Frau aus dem Wagen lassen. Dann sollte sie machen, was sie wollte. Dann wäre das nicht mehr seine Sache. Er würde, da er schon mal im Tal war, seinem ursprünglichen Plan folgen und die Seitenstraßen nehmen, über Schmerold, Müller am Baum, Wall und Warngau nach Holzkirchen fahren und aufatmen, wenn er das Geld endlich in der Garage hatte.
»Ist der Arzt auf so was spezialisiert? Auf … na ja, Sie wissen, was ich meine.«
»Ja. Er stellt keine Fragen.«
»Kostet das extra?«
»Zweihundert in bar. Und was er mit der Versicherung abrechnet, weiß der liebe Gott.«
»Wie sind Sie an den gekommen?«
Das Mädchen sah aus dem Fenster in die Nacht. Sie fuhren über die kleine Brücke, die die Mangfall überquerte.
»Ich hab seine Nummer von einem Arzt aus der Notaufnahme. Wenn Sie so ins Krankenhaus kommen, wie ich jetzt ausschau, das machen S’ net noch mal. Jeder gafft einen an. Die Ärzte stellen blöde Fragen. Da zahlen Sie gern zweihundert Euro.«
»Interessant«, sagte Falcking.
Sie bogen auf ein Zeichen des Mädchens links ab in Richtung Schmerold.
»Wie weit ist es noch?«, wollte Falcking wissen.
»Halber Kilometer.«
Falcking warf einen Blick in den Rückspiegel. Alles war dunkel. Niemand folgte ihnen. Auch voraus tanzten keine Scheinwerferkegel durch den Wald. Der Wagen bog um eine Kurve – Falcking durchzuckte ein Adrenalinstoß: Siebzig Meter weiter vorn lag etwas auf der Straße. Falcking blieb der Atem weg. Er bremste.
»Scheiße, was ist das?«, fragte das Mädchen.
Falcking starrte auf die Stelle vor ihm. Dem Anschein nach lag da ein Mensch. Regungslos. Falcking blieb für Sekunden die Stimme weg. Dann sagte er: »Keine Ahnung. Ein … ein Mensch?«
Er fuhr langsam weiter. Es
war
ein Mensch. Ein junger Mann war bäuchlings auf dem Asphalt hingestreckt. Am Straßenrand ein Mofa.
»Ich fahr ganz langsam ran.« Das Mädchen nickte ängstlich und schickte sich an, in den Fußraum zu kriechen. Falcking wischte sich die nassen Hände an der Anzughose ab und schaute nach links und rechts in den Wald, ob da noch jemand war. Er tastete nach der Zentralverriegelung. Mit einem gedämpften Schnalzen verriegelten sich sämtliche Schlösser des Wagens. Er war zehn Meter von dem Mann auf dem Asphalt entfernt, da zuckte etwas in Falckings Augenwinkel. Ein Aufblitzen, rechts im Unterholz. Ganz kurz hatte er etwas im Streulicht der Scheinwerfer gesehen. Ein Glühwürmchen? Das Auge eines Tiers? Doch im Grunde wusste Falcking, dass es etwas anderes gewesen war.
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27 . Kapitel
V era saß in Wallners Büro. Sie lächelte, als er hereinkam. Auch Wallner lächelte.
»Hallo. Was hast du den Nachmittag über angestellt?«
»Ein bisschen Videos geschnitten. Schau.«
Sie klickte eine Datei im Computer an. Wallner erschien auf dem Bildschirm. Er stand auf dem Gipfel des Riedersteins, erklärte Vera gerade, wo Kreuthner zum Zeitpunkt der Tat gestanden hatte und dass er sich während des Mordes übergeben hatte. Wallner beugte sich zur Veranschaulichung über das Eisengeländer und machte eigenartige Geräusche, die offenbar eine akustische Imitation des Vorgangs darstellen sollten. Im Hintergrund hörte man Veras Lachen. Dann ein Schrei: Wallner war bei seiner Vorführung die Brille von der Nase gerutscht. Wundersamerweise war sie nicht die Felswand hinabgefallen, sondern lag auf einem Grasbüschel, das aber nur mit Verrenkungen zu erreichen war. Veras Lachen wurde lauter, die Kamera wackelte vor Heiterkeit. Wallner forderte Vera auf, die verdammte Kamera wegzulegen und ihm zu helfen. Wenn er seine Brille nicht wiederbekäme, könne sie gleich den Hubschrauber holen. Er sei ohne Brille so blind, dass er einen Baum nicht von einer Videofilmerin unterscheiden könne. Dabei krabbelte Wallner auf dem Boden in Richtung Kamera und verschwand. Unmittelbar darauf ein Schrei in weiblicher Tonlage. Die Kamera wurde verrissen. Ende der Aufnahme.
»Ist das Beweismittelvernichtung, wenn wir das löschen?« Wallner zog die Datei mit der Maus in den Papierkorb.
»Spinnst du? Das kannst du mal deinen Enkeln zeigen. So lustig war der Polizeidienst!«
»Mag sein.
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