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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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ausgedacht. Ein Gullydeckel im Asphalt des Schrottplatzes. Um das Versteck zu tarnen und gegen Diebstahl zu sichern, hatten die Lintingers gut zwanzig Autowracks über dem Gullydeckel gestapelt. Wer an das Geld heranwollte, der musste, so er das Versteck überhaupt kannte, zuerst die Autos fortschaffen, was mit normalem Einbrecherwerkzeug kaum zu machen war.
    Harry Lintinger hatte sich in den Kran gesetzt und Wrack für Wrack von dem Stapel gehoben und abgesetzt, wo Platz war. Schließlich war der Gullydeckel zum Vorschein gekommen, und der alte Lintinger hatte den Plastiksack hervorgeholt, in dem die Scheine wasserdicht verstaut waren.
    »Da«, hatte er zu Zimbeck gesagt. »Hamma getreulich für dich aufbewahrt. Zwei Jahre lang. Auf uns kannst dich verlassen.«
    Das sah Zimbeck offenbar anders. Er verlangte nach einem Tisch, auf dem er das Geld zählen konnte. Lintinger hatte arg lamentiert, dass man sich dieses Misstrauen nicht verdient habe, wo man doch zwei Jahre getreulich … Aber Zimbeck hatte Lintinger gesagt, er solle sein blödes Maul halten, und sich am Schreibtisch im Büro niedergelassen, wo er das Geld ausgepackt, säuberlich gestapelt und zu zählen angefangen hatte. Johann Lintinger hatte gehofft, dass Zimbeck nicht nachprüfen würde, ob die Summe noch vollständig war, ja, insgeheim damit gerechnet, dass der grobe Kerl nach zwei Jahren gar nicht mehr wusste, wie viel es ursprünglich einmal gewesen war. Doch Zimbeck hatte ein gutes Gedächtnis für Zahlen. Die Summe der Beute hatte er auf den Euro genau im Kopf: einhundertsechsundneunzigtausend.
     
    Zimbeck ging sorgfältig jedes Geldbündel durch, wie er es vor zwei Jahren schon einmal getan hatte. Wenn tausend Euro beisammen waren, legte er sie zurück in den Plastiksack und machte einen Strich auf dem Schreibblock. Nach vier senkrechten Strichen folgte ein fünfter quer durch die Mitte der vier anderen. Zwei Fünferblöcke fasste Zimbeck mit einem Kreis zusammen. Fünfzehn Kreise waren schon auf dem Block, als er sich eine weitere Zigarette anzündete und den Rauch zur Decke blies. Durch den Qualm konnte er Johann Lintinger kaum noch ausmachen. Der stand im Gegenlicht am Fenster, durch das man auf den sonnenbestrahlten Hof des Schrottplatzes sah. Lintinger zog nervös an seiner Zigarette. So viel war zu erkennen. Auch, dass die Stirn nass war. Er war nervös und schwitzte. Und das hatte seinen Grund: Was da noch an Geldscheinen auf dem Schreibtisch lag, da würden im Leben keine sechsundvierzigtausend Euro zusammenkommen. Lintinger wich Zimbecks Blick aus. Der klemmte die glimmende Zigarette zwischen die Lippen und ging ohne Hast daran, das restliche Geld zu zählen. Als er die letzten Scheine in die Tüte steckte, machte er keinen Strich, sondern notierte den Rest in Ziffern unter die Strichliste.
    Lintinger drückte seine Zigarette in dem Aschenbecher aus, der auf dem Fensterbrett stand, und hustete kurz durch. Sonst war es still im Raum. Lintinger sah zu seinem Sohn Harry. Der jedoch beobachtete Zimbeck wie hypnotisiert dabei, wie er die Kreise und Striche zusammenzählte, einen nach dem anderen mit dem Bleistift antupfte, leise die Lippen bewegte, schließlich unten auf das Blatt eine Zahl schrieb. Die Zahl war: 175 340 . Zimbeck legte den Stift auf das Blatt, nahm die glimmende Zigarette aus dem Aschenbecher, lehnte sich im Bürosessel zurück und inhalierte kräftig. Mit gespitztem Mund blies er den Rauch aus, blickte nachdenklich auf die Glut an der Zigarettenspitze, als müsse er zunächst verarbeiten, was er gerade herausgefunden hatte. Es war immer noch totenstill im Raum. Zimbeck griff sich den Plastiksack mit dem Geld und warf ihn Lintinger vor die Füße.
    »Wie viel hast
du
gezählt?«, fragte Zimbeck.
    »Mir ham a paar Unkosten gehabt …«
    »Wie viel du gezählt hast?!«, schrie Zimbeck.
    »Hundertfünfasiebzg und a paar Zerquetschte.«
    »Und wie viel müssten drin sein?«
    »Hundertsechsundneunzig. Aber dem Harry seinen Anteil ham mir ja wohl abziehen dürfen, oder?«
    »Ja logisch. Hundert Euro.«
    »Hundert Euro?«
    »Zehn Prozent von dem, was bei der EC -Kart’n rausspringt, hamma damals g’sagt, oder?«
    »Ja aber – ich bitte dich.« Lintinger deutete auf die am Boden liegende Tüte – sie aufzuheben wagte er nicht. »Fast zweihunderttausend waren des. Und der Harry kriegt davon hundert Euro? Findst des fair?«
    »Hat er die Idee gehabt?« Schweigen. »Hat er das Geld gefunden?« Schweigen. »Hat er überhaupts

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