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Schafkopf

Schafkopf

Titel: Schafkopf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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es dahingeht, musste Susi denken. Noch ein oder zwei Wochen, Monate, Jahre in der Hölle. Ja! Wenn man sie fragte, würde sie die haben wollen. Unbedingt. Susi spürte das kalte Metall an ihrer Halsschlagader.

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45 . Kapitel
    D ie Obduktion hatte bestätigt, dass es sich bei der von Kreuthner gefundenen Leiche um die vor über zwei Jahren verschwundene Kathrin Hoogmüller handelte. Im Brustkorb steckte eine Pistolenkugel, die von den Experten als Munition aus der Vorkriegszeit eingestuft wurde. Das Projektil war zwischen zwei Rippen eingedrungen, ohne dabei Schaden zu nehmen, und schließlich im Herzen der jungen Frau zum Stillstand gekommen. Die moorige Erde hatte die Leiche leidlich konserviert. Man konnte noch erkennen, dass das Opfer von hinten erschossen worden war. Des Weiteren wies die Leiche mehrere Verletzungen auf, die ihr vor dem Tod zugefügt worden waren. Unter anderem war das Nasenbein zertrümmert. Anscheinend war der Bruch ärztlich behandelt worden. Es waren noch Reste eines Verbandes im Gesicht. In der Lederjacke, die Kathrin Hoogmüller bei ihrer Ermordung angehabt hatte, fand sich ein Taschentuch mit dem Blut der Toten und eingestickten Initialen: J. A. F.
    Wallner und seine Leute brauchten nicht lange, um die Initialen zu entschlüsseln: Jonas Adrian Falcking, der ermordete Anwalt. Eine erneute Durchsuchung der Anwaltswohnung förderte weitere Taschentücher mit identischen Initialen zutage. Kathrin Hoogmüller und Falcking waren sich möglicherweise in der Nacht vom 15 . auf den 16 . Juni 2007 begegnet. Es gab freilich keinen konkreten Beweis dafür, dass die junge Frau in dieser Nacht ermordet worden war. Aber in dieser Nacht hatte man sie das letzte Mal gesehen. Und in dieser Nacht hatten sich ungeklärte Dinge ereignet, in die auch Falcking verwickelt war.
    Die Kugel stammte vermutlich aus einer nicht angemeldeten Wehrmachts- oder Polizeipistole, wie sie in den Wirren vor und nach dem Kriegsende zuhauf in die Hände von Zivilisten geraten waren. Die Polizei ging davon aus, dass im Landkreis noch etliche dieser Waffen in Schubladen, Kellern und Speichern lagerten. Auf einer SoKo-Besprechung brachte ein Kollege in humorigem Ton vor, es werde gemunkelt, der Kreuthner habe noch eine alte Wehrmachtspistole. Mal angenommen, der Kreuthner hätte die Leiche selbst fabriziert, dann sei es ja nicht verwunderlich, dass er sie auch wiedergefunden hatte. Heiterkeit machte sich breit unter den Kollegen und es wurde viel gescherzt auf Kosten von Kreuthner. Da auch Tina etwas über Kreuthner und eine Wehrmachtspistole gehört hatte, wurde dieser zum Thema befragt. Nicht dass Wallner glaubte, Kreuthner habe etwas mit dem Mord zu tun. Aber vielleicht kannte er noch andere Besitzer von alten Pistolen. Bei Kreuthner konnte man nie wissen.
    Kreuthner konnte die Geschichte richtigstellen. Nicht er habe eine alte Pistole besessen, sondern sein Uropa. Der sei in den letzten Tagen des Krieges im Dürnbacher Straßenkampf gefallen. Allein habe er sich den einrückenden alliierten Truppen entgegengestellt. Und weil er ganz allein gegen fünfhundert Amerikaner stand – die anderen Dorfbewohner hatten keine Lust mehr auf den Krieg –, habe er sich Mut antrinken müssen. Wahrscheinlich habe er des Guten zu viel getan, sonst hätte er noch mehr GI s mit in den Tod gerissen. Auf die Frage, wie viele GI s der Helden-Uropa denn getötet habe, musste Kreuthner zugeben, dass es genau genommen gar keiner war. Aber der Bursche, der vom Panzer sprang, um die Leiche zur Seite zu räumen, sei ganz dumm auf dem Fahrrad des Urgroßvaters aufgekommen, das ebenfalls auf der Straße lag, und habe sich den Knöchel gebrochen. Jedenfalls sei der tapfere Dorfpolizist drei Tage im Straßengraben gelegen, bevor man ihn wegschaffte. Keiner habe sich hingetraut, um nicht von den Amerikanern als Nazi verdächtigt zu werden. Selbst die eigene Verwandtschaft. Das Beispiel habe Kreuthner vor Augen geführt, was passiert, wenn du am Boden liegst und nicht mehr aufstehen kannst. Nichts passiert. Sie lassen dich im Dreck liegen und verrotten. Das sei bestimmt ungemein lehrreich gewesen, pflichtete Wallner bei und wollte wissen, was denn mit der Pistole vom Uropa passiert sei. Die habe der Zimbeck Erwin nachts geklaut. Der habe quasi die Leiche gefleddert. Also zugegeben habe er’s nicht. Der sei damals mit sechzehn schon so durchtrieben und verdorben gewesen wie sein Enkel jetzt. Aber jeder habe es gewusst. Nur – wo kein Kläger, da

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