Schakale Gottes
Kriminalmeister Bobak verdächtig ruhig. »Was aber wird er sagen, wenn ich den Beweis dafür antrete, daß der Korb doch hier angeliefert worden ist?«
Der Custos lächelte. »Haben Sie etwa mit dem Bauern gesprochen?«
»Ja«, log Pawel Bobak schlankweg. »Und er hat einen Zeugen!«
Die Miene Pater Bonaventuras verfinsterte sich.
Der Kriminalist verbarg, daß er frohlockte. Ihn hatte die Überzeugung, die Unbekümmertheit des Custos müsse begründet sein, alle möglichen Überlegungen anstellen lassen. Wenn er beispielsweise annahm, der Bauer sei kein Bauer, sondern ein verkleideter Mönch gewesen, dann wurde die Sorglosigkeit des Pauliners verständlich; denn dann würde es nie einen Zeugen geben. Offen blieb allerdings die Frage, warum ein verkleideter Mönch das Kloster als Bestimmungsort angegeben haben sollte. Aus Dummheit? Aus Gedankenlosigkeit?
Es reizte Pawel Bobak plötzlich, dein Custos noch mehr zuzusetzen. »Jawohl«, wiederholte er, »mein Bauer hat einen Zeugen! Im Augenblick ist der allerdings verreist. Er wird uns aber zu gegebener Zeit zur Verfügung stehen. Das versichere ich Ihnen.«
Pater Bonaventura war so verwirrt, daß er nachholte, was er bis zu diesem Augenblick unterlassen hatte. Er wies auf eine Sesselgruppe. »Wollen wir uns nicht setzen?«
Mein Schuß hat ins Schwarze getroffen, triumphierte der Kriminalist insgeheim und nutzte die günstige Gelegenheit, Rache für die Abfuhr zu nehmen, die er am Morgen erlitten hatte. »Bedaure, Hochwürden«, sagte er, »ich bin sehr in Eile. Wenn ich mich nicht spute, könnte mir unser verreister Freund durch die Lappen gehen.«
Dem Custos gelang es nicht, seine Unruhe zu verbergen.
»Unser verreister Freund?« fragte er beklommen. »Wen meinen Sie damit?«
Kriminalmeister Bobak ging zur Tür. »Pater Markus!«
Im Gegensatz zu Pater Bonaventura, der besorgt zum Prior des Ordens eilte, verließ Pawel Bobak das Kloster wie ein Sieger. Er schritt durch das Jagellonen-Tor, als hätte er eine Schlacht gewonnen. Aber noch bevor er den Ausgang erreichte und durch den Lobomirski-Bogen das weiträumige Rondell betrat, vor dem die Fiaker warteten, wich seine Hochstimmung einer selbstkritischen Betrachtung. Gewiß, er hatte dem Custos gezeigt, daß noch nicht aller Tage Abend war. Vor allen Dingen hatte er zu erkennen gegeben, daß er sich nicht ohne weiteres abschütteln ließ. Erreicht hatte er jedoch kaum etwas. Im Gegenteil. Im Kloster würde man nun mehr denn je auf der Hut sein. Vielleicht war es aber ganz gut, daß er Pater Bonaventura aufgeschreckt hatte. Der Pauliner war dadurch in die Verteidigung gedrängt, während er selbst die Angriffsposition zurückgewonnen hatte. Natürlich mußte jeder Schritt jetzt genau bedacht werden. Keinesfalls durfte er das Kloster wieder betreten, ohne einen unumstößlichen Beweis in Händen zu halten.
Während Kriminalmeister Bobak noch überlegte, wo er seinen Hebel ansetzen könnte, sah er am Bock der Kutsche, auf die er zuging, ein kleines Schild mit einer Nummer. Wie elektrisiert blieb er stehen. Die Wagen waren numeriert? Ein kühner Gedanke kam ihm. Wenn alle Wagen Nummern besaßen, dann bezog sich der telegrafische Hinweis: ›Von 17 und 22 droht Gefahr‹, womöglich auf die beiden Droschken, die in der Nacht in Rudniki gesehen worden waren!
Sein Temperament ging mit ihm durch. Er stürmte an den Fiakern entlang und schnappte sich den Kutscher, der vor dem Wagen 22 stand. »Wo ist dein Kamerad mit der Nummer siebzehn?«
»Sind Sie verrückt geworden?« empörte sich der Mann und versuchte sich zu befreien.
»Du sagst sofort, wo ich die Droschke siebzehn finde!«
»Weiter hinten!« Der Kutscher wies die Wagen entlang. »Der fünfte oder sechste wird's sein.«
»Dann führ mich schnell zu deinem Kollegen.«
»Was fällt Ihnen ein?« Der Droschkenfahrer, ein junger Mann von höchstens fünfundzwanzig Jahren, riß sich los.
In der Nähe stehende Kameraden liefen herbei.
»Der Kerl hat mich überfallen!«
Pawel Bobak zog seinen Polizeiausweis. »Ich glaube eher, daß ich nahe daran bin, diesen Burschen festzunehmen.«
Betroffen starrten ihn alle an.
»Holt den Kutscher von Wagen siebzehn! Ich muß ihn sprechen.«
»Bin schon hier«, sagte einer der Männer. Er sah alt und grau aus.
»Dann raus mit der Sprache! Oder wollt ihr beide weiterhin leugnen, des Nachts durch Rudniki gefahren zu sein?« Er wandte sich an die übrigen Kutscher. »Als ich euch vor einigen Tagen befragte, gab ich mich
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