Schakale Gottes
»Selbstverständlich weiß ich das! Sonst hätte ich den Korb mit dem Fehler bestimmt nicht weggegeben. Nó, das hätte ich nicht getan. Wissen Sie, dann kommt später eine Reklamation, und ich bin der Dumme. Das hab' ich dem Bauern auch gesagt. ›Nó, nó‹, hab' ich ihm gesagt, ›wenn du mir nicht sagen kannst, für wen der Korb ist, dann behalte ich ihn lieber.‹ Dann hat er gesagt: ›Den Namen von dem feinen Herrn weiß ich nicht. Aber genügt es denn nicht, wenn ich dir sage, daß ich den Korb zum Kloster Jasna Góra bringen soll?‹ – ›Tak'‹, hab' ich gesagt, ›wenn das so ist, dann genügt mir das. Du kannst dann ja bezeugen, daß ich einen Preisnachlaß gewährt habe.‹ – ›Tak‹, hat er gesagt. ›das kann ich.‹«
Pawel Bobak griff sich an den Kopf. Der Korb zu den Paulinern …? Das würde bedeuten … Nein, das konnte nicht wahr sein. Oder doch? Waren ihm die verdächtigen Reaktionen der Patres Bazil und Markus nicht bereits aufgefallen? Er nagte an seinen Lippen. Bestand womöglich ein Zusammenhang zwischen den Gerüchten um den Schmuck der Schwarzen Madonna und dem Ermordeten?
In Pawel Bobak rang plötzlich der Christ mit dem Kriminalisten. Er, der zweimal das Kloster in der Hoffnung aufgesucht hatte, dort vielleicht etwas Belastendes zu finden, verlor angesichts des Beweises, den er nun hatte, seinen Elan und das Verlangen, die ihm zugefallene Mordaffäre aufzuklären. Am liebsten wäre er davongelaufen. Doch er mußte seine Pflicht tun. So stieg er schweren Herzens den Jasna Góra, den Weißen Berg hinauf, der dem Kloster seinen Namen gegeben hatte.
Der Pförtner des Officiums begrüßte ihn mit einer Scheu, die in krassem Gegensatz zu seiner früheren Ruppigkeit stand.
Aber auch der Kriminalist verhielt sich anders als sonst. »Ja«, sagte er ein wenig unsicher, »an wen wende ich mich denn nun am besten?«
Der Pauliner entgegnete: »Wenn Sie Pater Markus sprechen wollen, der ist verreist.«
»Verreist?« Pawel Bobak erinnerte sich des Textes: ›17 und 22 werden gefährlich stop tritt sofort die besprochene Reise an.‹ Pater Markus hatte ihn genasführt! Auf einen billigen Trick war er herein gefallen! Wut überkam ihn. Sie verdrängte alle Hemmungen, die ihn befallen hatten. »Dann melden Sie mich dem stellvertretenden Custos!« schrie er den Pförtner an.
Der zuckte zusammen. »Pater Bazil übt das Amt zur Zeit nicht aus, da Prior Rejman und Pater Bonaventura aus Rom zurückgekehrt sind.«
»Ist Pater Bonaventura der Custos?«
»Ja.«
»Um so besser. Melden Sie mich ihm.«
Pater Bonaventura hatte nicht nur einen glückverheißenden Namen, er sah auch dementsprechend aus. Seine Wangen waren voll und gerötet wie die eines Barockengels, sein wohlgerundeter Bauch verriet guten Appetit und Bedächtigkeit. Mit der Frage: »Was kann ich für Sie tun, mein Sohn?« begrüßte er seinen Gast.
Der Kriminalist antwortete verbindlicher, als er es eigentlich wollte: »Für mich nichts, Hochwürden. Ich bin dienstlich hier. Leider in einer sehr bösen Sache.«
»Das höre ich nicht gerne«, entgegnete Pater Bonaventura mit einem scherzhaften Unterton.
Pawel Bobak entging nicht die dahinter schwingende Sorge. Ohne Umschweife erklärte er nun, daß er in Verfolgung des Mordfalles, über den in der Presse detailliert berichtet worden sei, eine Feststellung habe machen müssen, die das Kloster belaste. Er schilderte die Gründe hierfür und schloß mit den Worten: »Es kann somit als erwiesen angesehen werden, daß der Korb, in dem der Ermordete aufgefunden wurde, wenige Tage zuvor nach Jasna Góra transportiert worden ist.«
Der Custos blieb die Ruhe selber. »Darf ich aus Ihrer Formulierung schließen, daß ein eindeutiger Nachweis fehlt?«
»Das dürfen Sie nicht. Ich drückte mich nur vorsichtig aus, weil ich den Bauern noch nicht persönlich befragt habe.«
»Das wird meiner Meinung nach auch niemals möglich sein.«
Pawel Bobak horchte auf. »Und warum nicht?«
»Weil Sie den Bauern vergeblich suchen werden. Glauben Sie mir, mein Sohn, ich weiß, was von einem Menschen zu halten ist, der behauptet, ein unbekannter Herr habe ihm den Auftrag gegeben, dieses und jenes zu tun.«
»Und wenn der Betreffende unter Eid aussagt?«
»Dann müßte man seine Behauptung natürlich ernst nehmen und gewissenhaft überprüfen. Ihm sollte dann die Möglichkeit gegeben werden zu beweisen, daß er den ominösen Korb tatsächlich im Kloster abgeliefert hat.«
Kriminalmeister Bobak
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