Schakale Gottes
wurde nervös. Er war nicht gekommen, um eine Diskussion über die Glaubwürdigkeit eines Bauern zu führen. Wie aber sollte er nunmehr reagieren? Verbindlich bleiben? Massiv werden? »Hochwürden!« sagte er schließlich. »Für mich ist erwiesen, daß der Bauer dem Korbwarenhändler keine Mär aufgetischt hat. Warum hätte er das auch tun sollen?«
»Das weiß ich nicht. Aber wäre es nicht denkbar – ich spreche jetzt rein hypothetisch –, daß er der Mörder ist? Könnte es nicht sein, daß er als Bauer verkleidet war, um den Verdacht auf einen Unschuldigen zu lenken?«
Pawel Bobak sah den Custos entgeistert an.
»Ja, mein Sohn, gerade in Ihrem Beruf sollten Sie stets mit allem rechnen. Der Mensch ist unergründlich. Ein russisches Sprichwort sagt treffend: ›Fürchte den Bock von vorn, das Pferd von hinten und den Menschen von allen Seiten.‹«
Dem Kriminalisten wurde es zuviel. »Ich gebe Ihnen recht«, sagte er eisig. »Den Menschen muß man von allen Seiten fürchten. Und da Mönche keine Ausnahme bilden, sehe ich mich gezwungen, Sie zu ersuchen, unverzüglich innerhalb des Klosters nachzuforschen, ob hier irgendwann ein großer Korb aufgetaucht ist.«
Ohne dazu Stellung zu nehmen, läutete Pater Bonaventura mit einer kleinen silbernen Glocke, die vor ihm auf dem Tisch stand.
Ein junger Pauliner trat in den Raum.
»Mein Sekretarius«, stellte der Custos vor und erteilte diesem den Auftrag, innerhalb der nächsten drei Stunden jedes Mitglied des Ordens nach dem Korb zu befragen. »Punkt vier Uhr wünsche ich Meldung«, beendete er die Weisung und wandte sich an seinen Besucher. »Ich erwarte Sie ein paar Minuten früher, damit Sie selbst hören können, was festgestellt worden ist.«
Als Pawel Bobak das Kloster verließ, war er sich darüber klar, daß man ihn auf elegante Weise hinauskomplimentiert hatte. Während der letzten Minuten hatte er sich kaum noch beherrschen können. Wie einfach war es doch zu behaupten, von nichts zu wissen. Genau das hatte auch Pater Markus getan. Er hatte sich das Telegramm einfach nicht erklären können. Wenn der Bauer allein zum Kloster gefahren war, also keinen Zeugen benennen konnte, brach die mühevoll aufgebaute Beweiskette wie ein Kartenhaus zusammen. Und darauf schien der Custos zu spekulieren. Nur so ließ sich seine kaum zu begreifende Unbekümmertheit erklären. Erstaunlich war ebenfalls die Unverfrorenheit, mit der er den Bauern als möglichen Täter hinstellte.
Mit Hemmungen war Pawel Bobak zum Kloster gegangen. Nun aber, da er die Überlegenheit des Pauliners zu spüren bekommen hatte, grämte ihn die Niederlage. Der Custos hatte ihn so durcheinander gebracht, daß er sogar vergessen hatte, über die verdächtige Reise des Paters Markus zu sprechen. Aber dieser Bonaventura sollte sich noch wundern! Er würde ihm schon beweisen, daß der Korb nach Jasna Góra gebracht worden war! Nicht umsonst hieß es: Fürsten haben lange Arme, Pfaffen lange Zungen, das Volk lange Ohren. Ganz lange Ohren wollte er haben. Und wenn er von Haus zu Haus gehen und alle Welt aushorchen müßte: er würde den Mörder finden!
Wie schwer sein Weg noch werden würde, erkannte der Kriminalist, als er das Korbwarengeschäft erneut aufsuchte, um sich den Namen des Bauern geben zu lassen.
»Den hab' ich nicht«, sagte der Händler mit der größten Unschuldsmiene.
»Aber Sie haben heute morgen doch erklärt, er sei Ihr Zeuge.«
»Das ist er auch. Ich hab' ihn ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht. Und er hat's bestätigt!«
»Und wie erreichen Sie ihn, wenn Sie seinen Namen nicht kennen?«
Die Augen des Händlers weiteten sich. »Heilige Madonna, daran hab' ich nicht gedacht.«
Pawel Bobak stürmte aus dem Laden. War er an einen Narren geraten? Da hatte er endlich eine echte Spur gefunden, und nun sollte alles wieder vergebens gewesen sein?
Es sah danach aus. Denn im Kloster, wohin er zurückkehrte, meldete der Sekretär dem Custos pünktlich um vier Uhr, die Befragung aller Patres, Fratres und Laienbrüder sei ergebnislos verlaufen. Niemand habe den beschriebenen Korb bestellt oder gesehen. Auch wisse kein Angehöriger des Ordens, daß ein solcher angeliefert worden sei.
Pater Bonaventuras Wangen glänzten. »Das gleiche gilt für die Offizialen, die ich selbst befragt habe. Selbstverständlich auch für Prior Rejman, den Ihre Annahme, in diesem Kloster könnte ein Verbrechen geschehen sein, sehr betrübt hat.«
»Dafür habe ich volles Verständnis«, entgegnete
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