Schakale Gottes
Deutlich hörte er sich noch antworten: ›Gesichert scheint mir nur zu sein, daß der oder die Täter des Nachts mit zwei Droschken durch Rudniki gefahren sind. Ich bin unterwegs nach Czenstochau, um mir alle Kutscher vorzuknöpfen.‹
Pawel Bobak griff sich an den Hals. Wozu sich etwas vormachen? Er selbst war es gewesen, der das Telegramm ausgelöst hatte. Vielleicht war das aber gut so; denn dadurch hatte der Täter …
Der Täter? Zieh keine voreiligen Schlüsse, beschwor er sich. Noch ist nichts erwiesen. Ein zweites Mal darfst du nicht ohne Beweismaterial dastehen. Steinchen um Steinchen mußt du nun zusammentragen.
Gleich am nächsten Morgen fuhr er nach Rudniki. Von dort eilte er mit dem Fahrrad weiter zu dem kleinen Dorf, in dem Tadeusz Minka wohnte. Er sollte ihm den Beweis für die Richtigkeit seiner Kombination liefern.
Als Pawel Bobak die Hütte des Büttels erreichte, war dieser gerade damit beschäftigt, einen Fensterrahmen neu anzustreichen. »Slawa Ci!« rief er erfreut. »Immer noch in der Mordsache unterwegs?«
»Leider. Ich bin bis jetzt zu keinem Ergebnis gekommen.«
Krystyna Minka erschien im Türrahmen. »Witajcie!«
»Seid gegrüßt!« erwiderte Pawel Bobak. »Ich hoffe, es geht euch gut.«
»Danke, danke. Wir sind dabei, alles für Ostern vorzubereiten.«
Ihr Mann legte den Pinsel fort. »Und der Herr Kryminalnej muß noch immer hinter dem Mörder herrennen.«
Krystynas Miene verfinsterte sich. »Daß du dauernd von solchen Sachen reden mußt.« Mit einem gequälten Lächeln wandte sie sich an Pawel Bobak. »Bitte, treten Sie ein.«
In der Hütte blitzte es vor Sauberkeit. Der Tisch war hell gescheuert, der Herd mustergültig aufgeräumt. Auf einem Sims abgestellte Töpfe funkelten, als seien sie neu. An der Decke hing ein kunstvolles Gebilde aus geflochtenem Stroh. Den Oberteil der Fenster schmückten kleine Gardinen aus duftigem Gespinst.
Krystyna Minka versorgte ihren Gast mit einem Glas Milch.
Pawel Bobak bedankte sich. »Ich hab' mal wieder reingeschaut, weil es mir bei Ihnen so gut gefallen hat.«
Der Büttel strahlte. »Oh, danke, danke. Das freut uns.«
Seine Frau nickte. »Ja, der Tag damals war wunderschön. Schade nur, daß Pater Rochus so wenig Zeit hatte. Er wird aber bald wiederkommen. Das hat er uns versprochen. Für uns war sein Besuch eine große Ehre.«
»Das kann man wohl sagen«, bekräftigte ihr Mann und lachte. »Früher war Pater Rochus ein Mannsbild, nach dem die Weiber sich umgedreht haben.«
»Wie war noch sein bürgerlicher Name?«
»Dabrow. Domnik Dabrow.«
Domnik! Pawel Bobak unterdrückte einen Seufzer der Erleichterung. Er hatte richtig kombiniert. Mit Domnik war das Telegramm an Pater Markus unterzeichnet gewesen. Nun konnte kein Zweifel mehr darüber bestehen, daß die beiden mit der Mordaffäre zu tun hatten. Aber er hatte sich ja vorgenommen, nicht nochmals vorschnelle Schlüsse zu ziehen. Steinchen um Steinchen wollte er zusammentragen. Das machte es notwendig, den Büttel etwas auszuhorchen. Er verwickelte ihn deshalb in ein Gespräch über seinen ehemaligen Rekruten und erfuhr, daß der junge Domnik leicht aufbrausen und jähzornig werden konnte. Dem Ehepaar Minka hatte er eingestanden, nicht zuletzt aus diesem Grund den Entschluß gefaßt zu haben, in ein Kloster einzutreten. Er hatte Angst vor sich selbst bekommen.
Selbstverständlich erwähnte Pawel Bobak nicht, welch scheußlichen Verdacht er hegte. Wozu alte Leute erschrecken? Er konnte es jedoch kaum erwarten, sich nochmals mit den beiden Droschkenkutschern zu unterhalten.
Als er am Nachmittag den Halteplatz am Kloster erreichte. hütete er sich, sein Temperament wieder durchgehen zu lassen. Er schlüpfte vielmehr in die Rolle eines besorgten Kriminalisten und war gespannt, welche Wirkung es haben würde, wenn er sein Geschütz im rechten Moment abfeuerte.
»Kommt her«, sagte er den beiden und zog sie zur Seite. »Reden wir einmal in aller Ruhe miteinander. Vielleicht können wir uns gegenseitig helfen.«
Der junge Droschkenfahrer blinzelte zum Alten hinüber.
»Unterstellen wir, die Bauern von Rudniki hätten die Wahrheit gesagt. Dann würde feststehen, daß zwei Fiaker mit zwei Gästen durch ihren Ort gefahren sind. Vier Menschen also. Unterstellen wir des weiteren, die Fahrgäste wären inzwischen inhaftiert worden und seien geständig, mit Hilfe von zwei Kutschern einen großen Korb in die Warthe geworfen zu haben.«
»Reden Sie keinen Blödsinn!« brauste der junge
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