Schakale Gottes
immer offen ist.«
4
Kriminalmeister Bobak konnte zufrieden sein. Er hatte einen Mord, bei dem nicht einmal der Tatort bekannt gewesen war, so gut wie aufgeklärt. Das Lob, das auf ihn herabregnete, tat ihm gut; es tröstete ihn jedoch nicht darüber hinweg, daß der Fahndungsbefehl, der nun an alle Polizei- und Bahnstationen herausgehen sollte, gewaltigen Staub aufwirbeln würde. Ein Pauliner steckbrieflich gesucht! Noch dazu als Mörder! Es waren jedoch nicht Glaubensgründe, die dem ehrgeizigen Kriminalisten zu schaffen machten. Ihm war klar, daß der Fahndungsbefehl den Geflüchteten veranlassen würde, sich schnellstens in einen Zivilisten zu verwandeln. Das konnte seine Festnahme nur erschweren. Ohne Steckbrief ging es allerdings nicht. Für Pawel Bobak war es deshalb ein Geschenk des Himmels, als Prior Rejman ihn am nächsten Morgen in Nowo-Radomsk anrief und mit sich überschlagender Stimme verkündete, er habe ihm eine wichtige Mitteilung zu machen. »Sie ist von eminenter Bedeutung«, rief er so laut, daß die Hörmuschel vibrierte. »Wahrscheinlich wird die öffentliche Fahndung sogar unnötig werden.«
Der Kriminalmeister traute seinen Ohren nicht.
»Hier ist soeben erneut ein Telegramm für Pater Markus eingegangen. Es wurde um acht Uhr dreißig in Koniecpol aufgegeben.«
Pawel Bobak notierte sich Ort und Zeit.
»Der Text lautet: ›Brauche dringend die Reiseunterlagen stop erwarte dich morgen früh mit dem Zug neun Uhr zehn in Poraj!‹ Unterschrift: ›Domnik‹.«
Vor Aufregung hatte Pawel Bobak nur die Hälfte mitschreiben können. Er bat darum, ihm den Text nochmals vorzulesen.
Prior Rejman entsprach seiner Bitte und fragte danach: »Sind Sie nicht auch der Meinung, daß sich eine öffentliche Fahndung unter diesen Umständen erübrigt?«
»Ich glaube schon.«
»Mir fällt ein Stein vom Herzen.«
Kein Wunder, dachte Pawel Bobak.
»Gott sei mit Ihnen, mein Sohn!«
Mit einem Mal bin ich sein Sohn.
»Ich werde ein Tedeum singen.« Und ich Hosianna, wenn mir dieser Rochus ins Netz gegangen ist, dachte Pawel Bobak grimmig. Der Fahndungsbefehl mußte um jeden Preis gestoppt werden; jetzt konnte er den Gesuchten nur warnen.
Um keine Zeit zu verlieren, meldete Kriminalmeister Bobak unverzüglich ein dringendes Gespräch nach Koniecpol an. Er mußte wissen, ob Pater Rochus dort in der Mönchskutte aufgetreten war. Zu seiner Erleichterung wurde ihm gesagt, das Telegramm sei von einem Pauliner aufgegeben worden. Daraufhin ersuchte er die Staatsanwaltschaft in Petrikau, den Fahndungsbefehl vorerst nicht herausgehen zu lassen. Da seine Begründung einleuchtend war, wurde seiner Bitte entsprochen und er für seine Umsicht gelobt.
Nach reiflicher Überlegung entschloß sich Pawel Bobak, nicht gleich nach Poraj zu fahren. Das Städtchen liegt etwa zwanzig Kilometer südlich von Czenstochau. und es bestand die Gefahr, daß Pater Rochus von seiner Ankunft erfuhr, wenn er sich in dem kleinen Ort einquartierte. Es war natürlich auch möglich, daß der Geflüchtete sich noch nicht in Poraj aufhielt und erst am nächsten Morgen dorthin kommen würde.
Unabhängig davon mußte Pawel Bobak besonders vorsichtig zu Werke gehen, weil der Gesuchte ihn bei Tadeusz Minka kennengelernt hatte.
Um keinen Fehler zu machen, wählte er nicht den Frühzug nach Poraj. Er übernachtete in Czenstochau und stieg im Morgengrauen auf sein Fahrrad. Zwei Stunden brauchte er für die Fahrt, die über relativ flaches Gelände führte. Er genoß den frischen Morgen, der schon den kommenden Frühling erahnen ließ.
In Poraj informierte er den Bahnhofsvorsteher, nachdem er sich als Polizeibeamter ausgewiesen hatte. Dann bezog er hinter einem Fenster des Aufsichtsraumes Stellung.
Die Zeit schien stillzustehen. Immer wieder schaute er zur Uhr, bis endlich im Stellwerk ein hartes Geläut den herannahenden Zug ankündigte. »Werden viele Passagiere zusteigen?« fragte er den Bahnbeamten.
»Nur ein altes Weib. Es hat eine Fahrkarte bis zur nächsten Station gelöst.«
Pawel Bobak fieberte, als der Zug einlief. Würde der Pauliner sich seiner Verhaftung widersetzen? Er hatte den Bahnhofsvorsteher gebeten, ihm notfalls Hilfestellung zu leisten.
Der Zug hielt an. Zwei Türen der Vierten Klasse und eine der Zweiten Klasse wurden geöffnet. Insgesamt stiegen fünf Personen aus: zwei Bäuerinnen, ein Bauer, ein junger Mann und ein Geistlicher in der schwarzen Soutane.
Kriminalmeister Bobak wurde nervös. Blieb Pater Rochus womöglich
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