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Schakale Gottes

Titel: Schakale Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bergius C.C.
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Kameraden zurück. »Gehen wir nochmals die einzelnen Punkte durch.«
    Während er sich mit dem Bahnangestellten und den beiden Metallarbeitern besprach, verließ Babuschka mit kleinen Schritten den Raum. Dabei legte sie die Hände auf den Taftrock und drückte ihn an sich, um das Rauschen des Stoffes zu dämpfen. Was mochte Roman veranlaßt haben, der eigenen Schwester zu mißtrauen? Sie liebte ihre Nichte nicht weniger als ihren Neffen, und sie schätzte auch Fedor Zadek, wenngleich es ihr nicht paßte, daß die beiden wie Mann und Frau miteinander lebten. Doch Natascha war fünfundzwanzig Jahre alt und verlor durch die Verbannung ihrer Eltern die besten Jahre ihres Lebens; da konnte sie ihr schlecht Vorhaltungen machen. Als sie auf den Flur hinaustrat und die Tür leise hinter sich schloß, hörte sie ihre Nichte in der Küche sagen: »Du kannst unbesorgt sein. Die Koffer enthalten nicht hundertzwanzig –, sondern hundertfünfzigtausend Rubel. Ich kenne meinen Bruder und habe ihm nicht den wahren Betrag genannt. Wenn du das Geld nach Krakau transportierst, sind wir gemachte Leute.«
    Es folgte eine Pause. Allem Anschein nach küßten sich die beiden.
    Babuschka stieg das Blut in den Kopf. Sie war mit Romans Auffassung, daß jeder nur ein paar Rubelchen erhalten sollte, gewiß nicht ganz einverstanden. Aber dreißigtausend hinten herum kassieren zu wollen, das ging zu weit.
    »Deine Intelligenz in allen Ehren«, hörte sie den Goldschmied sagen. »Fünfzigtausend wären aber mehr gewesen.«
    Natascha lachte. »Du bist und bleibst ein Nimmersatt.«
    »In jeder Hinsicht!«
    »In einer bestimmten dürftest du unersättlicher sein.«
    »Soll ich dich auf der Stelle …?«
    Babuschka kehrte eilig in den Salon zurück. Dreißigtausend Rubelchen! Um das viele Geld tat es ihr leid. Dennoch freute sie sich darüber, daß Roman den beiden einen Strich durch die Rechnung machen würde. Besser mit Schaden klug werden, als mit Schande.
    Durch die Hitze eines Hochsommertages war Roman Górski nach Czenstochau gefahren. Wie gebannt hatte er den halben Tag über aus dem Fenster des Zuges geschaut und sich an der Schönheit seiner Heimat erfreut. Beim Anblick des goldgelben Getreides, das stellenweise stark mit Mohn, Kornblumen und Wicken durchflochten war, vergegenwärtigte er sich die Mühen der Bauern. Eine stille Traurigkeit überkam ihn. Doch das tiefe Blau des Himmels und die unermeßlich erscheinende Weite der Felder weckten Hoffnungen in ihm und ließen die Zukunft Polens in helleren Farben erscheinen. Er suchte und fand Halt in der Natur; ihm graute vor der kommenden Nacht, die es notwendig machen würde, Leben zu vernichten. Zerfetzte Geräusche, erstickte Seufzer und klagende Rufe marterten ihn schon den ganzen Tag. Wie wurde es erst werden, wenn die Stimme der Dunkelheit hinzukam und das Pochen der Sekunden zu einem Dröhnen anwuchs!
    Er erinnerte sich an den Brief, den Pilsudski vor seinem ersten Überfall auf einen Postzug an seinen Freund geschrieben hatte. Tausend Skrupel hatte der große Freiheitskämpfer überwinden müssen. Bedenken, Gewissensbisse und Sorgen standen zwischen seinen Zeilen. ›Ich muß dokumentieren, daß ich meine Mitkämpfer nicht als Werkzeug benütze und jederzeit bereit bin, mir selbst die Hände schmutzig zu machen!‹ – ›Zwingende Notwendigkeit treibt mich.‹ – ›Zur Verwirklichung unserer Ziele brauchen wir dringend Geld.‹ – ›Eine Nation, die für sich selbst nicht kämpfen kann, die vor jedem Peitschenschlag zurückschreckt, ist es nicht wert, zu existieren.‹
    Pilsudskis Worte hämmerten in Roman Górskis Hirn. Ihn bangte mit einem Male nicht mehr vor der Nacht. Seine Sehnsucht nach Freiheit hatte das Los über ihn geworfen. Er spürte die Verpflichtung, die dahinterstand; sie konnte ihn nur noch beugen wie einen fruchtbeladenen Ast. Dennoch fühlte er sich erst erlöst, als er zu später Stunde den Bahndamm erreichte und von seinen Kameraden begrüßt wurde.
    »Ist mit dem Wagen alles klargegangen?« fragte einer der Metallarbeiter.
    Im Licht der Sterne leuchtete das Weiße in Romans Augen. »Er steht keine fünfhundert Meter von hier entfernt. Und es ist ein Kastenwagen mit doppeltem Boden. Bis zur Grenze wird es also keine Schwierigkeiten sehen. Der Fahrer ist ein zuverlässiger Bauer von über siebzig Jahren, den niemand mit einem Postraub in Verbindung bringen wird.«
    »Bei mir sieht's ebenso erfreulich aus«, sagte der Bahnangestellte. »Das Signal kann ich

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