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Schakale Gottes

Titel: Schakale Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bergius C.C.
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beschäftigte ihn nicht. Sie waren Feinde, Unterdrücker, Blutsauger – gehörten einer Nation an, die der Welt nach seiner Ansicht keine einzige vernünftige Idee geschenkt hatte. Er fand, das einzig Bemerkenswerte an Rußland sei seine gewaltige Ausdehnung von der Weichsel bis zur Beringstraße.
    An diesem Abend schwelgte er in kühnen Plänen. Dreißigtausend Rubel warteten auf ihn! Die Vorstellung machte ihn schwindelig. Er verdiente sechzig Rubel im Monat; Natascha fünfundvierzig. Sobald die Beute eingebracht war, würde er sich selbständig machen. Am besten in der Ujazdower Allee. Dort promenierten die Warschauer bis spät in die Nacht. Die Straße führte zu den Schlössern, zur Sternwarte und zum Botanischen Garten. Da gab es viele elegante Läden. Wenn er Natascha heiratete, konnte er in Babuschkas Villa ein Prachtgeschäft einrichten. Die Umbaukosten einschließlich Mobiliar, Vitrinen und Werkstattausrüstung schätzte er auf höchstens sieben- bis achttausend Rubel. Für gut zwanzigtausend konnte er dann noch Waren einkaufen. Der Haken war nur, daß er nicht wußte, ob Natascha mitmachen würde. Sie war unberechenbar. Manchmal hatte er das Gefühl, daß sie ihn lediglich aus Gewohnheit akzeptierte. Geistig war sie ihm überlegen. Und das ließ sie ihn fühlen. »Sei nicht traurig darüber«, hatte sie einmal spöttisch gesagt. »Die Entwicklung eines Hirns braucht seine Zeit.«
    Wahrscheinlich würde sie aber mitmachen. Ihrem Bruder hatte sie die dreißigtausend Rubel gewiß nicht ohne Grund verschwiegen. Auch sie war den einförmigen Trott ihres Daseins leid und wartete darauf, endlich festen Boden zu gewinnen.
    Euphorie und Alkohol ließen Fedor Zadek unrealistische Pläne schmieden. Er jonglierte mit Geldern, die er noch nicht besaß.
    Auch am nächsten Morgen schwebte er auf rosaroten Wolken, und da er sich mit Roman Górski erst für den Abend verabredet hatte, faßte er den Entschluß, den Tag auszunutzen und die wundertätige Madonna aufzusuchen. Sonst ging er nur zur Kirche, wenn es unbedingt sein mußte. Sonntags, zum Beispiel. Die Madonna rief er jedoch gelegentlich aus innerem Bedürfnis an. Sie war die Königin des Landes. Regina Poloniae! Wer sie nicht verehrte, war kein Pole.
    Die guten Zukunftsaussichten verleiteten ihn, sich eine Droschke zu mieten. Wenn er das Geld erst hatte, würde er sich eine Equipage leisten. Dreißigtausend Rubel! Fünfzigtausend wären natürlich mehr gewesen. Dann könnte er ganz anders loslegen. Natascha hatte da leider etwas versagt. Ihm war schon der Gedanke gekommen, das Glück zu korrigieren und nur hunderttausend abzuliefern. Er brauchte nur zu behaupten, es sei nicht mehr in den Koffern gewesen. Natascha müsse sich verhört haben.
    Er genoß die Fahrt zum Kloster und war gespannt auf die berühmten Schätze der Pauliner. Als Goldschmied hatte er schon viel darüber gelesen.
    Die Bauwerke von Jasna Góra beeindruckten ihn ebenso sehr wie die vielen Menschen, die in kleineren und größeren Gruppen den Berg hinaufpilgerten, fromme Lieder sangen und Litaneien beteten. Immer wieder erklang es im Chor: O Maria hilf!
    Der Eingang des Klosters war umlagert von Frauen, die Votivbilder, vergoldete Blechherzen, gesegnete Rosenkränze und Schmuckimitationen zum Verkauf anboten.
    Mönche wiesen die Gruppen ein. Wer kommunizieren wollte, mußte rechts heraustreten. Auf einem Platz im Freien standen an die dreißig Beichtstühle. Alle ohne Vorhang. Die Beichtväter deckten ihre Augen mit der Hand ab, um sie vor der Sonne zu schützen. Sie rutschten von einer zur anderen Seite und erteilten unablässig Absolutionen. Dennoch gab es Stauungen. Man stand Schlange, kniete links im Beichtstuhl nieder, während rechts noch Sündenbekenntnisse gewispert wurden.
    Nonnen kassierten Gebühren und verkauften Ablaßbilder. Ordner führten die Gruppen zur Gnadenkapelle. Man wurde durch den Hof geschoben.
    O Maria hilf!
    Wie benommen trieb Fedor Zadek im Strom der Wallfahrer. Am liebsten wäre er ausgeschert. Als er aber in die Gnadenkapelle eintrat, hielt er den Atem an. Bis hoch zum Deckengewölbe waren die Wände mit Schmuckstücken behangen. Perlenkolliers, Gold-, Silber-, Lapis-, Türkis- und Korallenketten, wohin man schaute. Dazwischen Glasperlen und Imitationen aller Art, die vom guten Willen jener zeugten, die nicht mehr hatten geben können. Ihr Opfer war gewiß höher zu bewerten als das der Reichen, die sich mit Kostbarkeiten Lossprechung zu erkaufen suchten.
    Er wandte

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