Schakale Gottes
über den Stil sprach, den er zu entwickeln gedachte. Er strebte fort von den glatten und hochpolierten Flächen der Goldschmiedekunst, träumte von gehämmerten Werken und weniger pompösen, schlichten Linienführungen.
Natascha war so angetan von Fedors Entwürfen, daß sie die Skepsis verlor, die sie bisher davor geschützt hatte, sich ernsthaft in ihn zu verlieben. Echte Zuneigung trat an die Stelle ihrer bisherigen, vom Egoismus bestimmten Haltung. Es war ihr plötzlich ein Bedürfnis, den Geliebten in seinen Bestrebungen zu unterstützen, und sie geriet in eine beinah euphorische Stimmung, als es soweit war, daß sie sich mit ihm auf den Weg nach Czenstochau machen konnte.
Es war ein herrlicher Herbsttag. Sogar im Zug spürte man, daß sich draußen kein Lufthauch regte.
Natascha konnte nicht genug zu sehen bekommen. Unentwegt starrte sie aus dem Fenster. Hier hackte jemand Holz, dort schlugen Frauen ihre Wäsche an einem Bach. Wagen rollten schwerfällig über die Felder. Rauch quoll aus Kartoffelfeuern, Enten watschelten einem Weiher entgegen. Kühe, Schafe, Hühner, Gänse – der unentwegte Wechsel des Bildes nahm kein Ende. Vorbei ging es an Dörfern und Städten. Hügel mit Schlehdornsträuchern weckten sehnsüchtige Träume. »Würde die Fahrt doch nie enden«, rief sie begeistert.
Fedor gab ihr einen Kuß. Sie waren allein in ihrem Abteil. »In Czenstochau erwarten dich noch viel interessantere Dinge.«
Natascha war es, als öffne sich ihr Herz, zum ersten Male richtig. Sie hätte die Welt umarmen mögen.
In Czenstochau fuhren sie mit einer Droschke zum Weißen Berg der Pauliner hinauf. Natascha war überrascht vom Ausmaß des Klosters und seinen hinter einem hohen Wall halbverborgenen Baulichkeiten. Die größte Überraschung aber war für sie Pater Rochus. Da Fedor ihm geschrieben hatte, wartete er bereits am Eingang auf sie.
»Ich habe mich schon gefreut, als Ihr Bruder mir mitteilte, daß Sie ihn begleiten werden«, sagte er überschwenglich. »Nun aber, da ich Sie sehe – bitte, erschrecken Sie nicht –, bin ich entzückt.« Dies aus dem Munde eines Mönches zu hören, verwirrte Natascha so sehr, daß ihr das Blut in den Kopf stieg.
Er reichte ihr die Hand und deutete eine chevalereske Verneigung an.
»Es ist sehr liebenswürdig von Ihnen, uns hier zu erwarten«, sagte Fedor aufgekratzt.
»Bis Sie sich zu mir durchgefragt hätten, wäre eine Stunde vergangen«, erwiderte Pater Rochus und wandte sich an Natascha. »Ein Zeitverlust, den ich mir nie verzeihen würde.«
Diese Bemerkung konnte sie nicht übergehen, und so fragte sie forsch: »Ist es ein Gebot Ihres Ordens, Frauen Komplimente zu machen?«
»Ein Gebot nicht gerade«, antwortete er verschmitzt. »Wahrscheinlich färbt unser Marienkult etwas ab.«
Natascha war verblüfft.
»Hinzu kommt natürlich, daß wir selten Gelegenheit haben, uns mit einer ebenso attraktiven wie charmanten jungen Dame zu unterhalten.«
»Das erklärt vieles«, stellte Fedor lachend fest. Die Dinge entwickelten sich besser, als er zu hoffen gewagt hatte.
Pater Rochus wurde ernst. »Ich war wohl zu kühn«, sagte er und wies auf den Himmel. »Das schöne Wetter scheint mich dazu verleitet zu haben.«
»Seien Sie nicht traurig darüber«, entgegnete Natascha. »Ich bin ebenfalls in einer Hochstimmung. Erst die Fahrt, dann dieses Kloster … Es ist einfach wunderbar, hier zu sein.«
»Sie waren noch nicht in Czenstochau?«
»Nein.«
»Dann gibt es ja eine ganze Menge, was ich Ihnen zeigen kann.«
»Vor allen Dingen die Schatzkammer!« betonte Fedor Zadek.
Pater Rochus wandte sich lächelnd an Natascha. »Bei ihm bricht der Goldschmied durch und läßt ihn vergessen, daß das Heil der Seele wichtiger ist als irdische Werte. Aber ich möchte Sie nun zunächst über den Wall führen und Ihnen von unserem Orden und der Schwarzen Madonna berichten.«
Sie gingen durch den Lobomirski-Bogen und das Jagellonen-Tor.
Natascha, die sie in die Mitte genommen hatten, beobachtete Pater Rochus heimlich von der Seite. Ihr war es unerklärlich, daß dieser gut aussehende Mann sich in ein Kloster zurückgezogen hatte.
»Es ist überliefert, daß die ersten Pauliner 1382 hier erschienen«, begann er bedächtig. »Sie kamen aus Ungarn und übernahmen eine schlichte Holzkirche, die der Heiligen Jungfrau gewidmet war. Entsandt hatte sie der König von Ungarn und Polen, Ludwig von Anjou, der seinen Neffen, den von ihm zum Gubernator ernannten Herzog Wladislaw von
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