Schakale Gottes
erzählte so farbig, daß die Zeit wie im Fluge verging.
»Jetzt müssen wir aber die Schatzkammer aufsuchen«, sagte er nach einem Blick auf die Turmuhr der Hauptkirche. »In einer Stunde beginnt die nächste Messe, die Sie gewiß besuchen wollen.«
Durch die Basilika und die Sakristei führte er sie über Treppen und durch Gänge in die Schatzkammer, die von zwei schweren Türen verschlossen war. Ein älterer Pater öffnete sie ihnen. In der Schatzkammer befanden sich so viele Kunstgegenstände, daß Natascha und Fedor nicht wußten, wohin sie schauen sollten. Meßgewänder aus dem 15. Jahrhundert, goldgewirkte und mit Perlen bestickte Roben einstiger Könige, Reichsinsignien, Szepter, Kassetten, Statuetten, Monstranzen, Reliquienschreine, Kruzifixe, Kelche, Kerzenleuchter und Gefäße aller Art gab es in vielfachen Formen und Ausführungen. Und alles war aus purem Gold und mit kostbaren Edelsteinen verziert. Einige Vasen, die die Königin Maria Josefine gestiftet hatte, wiesen Smaragde und Rubine in einer Größe auf, daß Fedor neiderfüllt ausrief: »Zwei von diesen Steinen, und ich brauchte nicht mehr zu arbeiten.« Unvorstellbar war der Wert jedes einzelnen der Kunstgegenstände, die von namhaften Goldschmieden für die Potentaten Europas hergestellt und von diesen der Schwarzen Madonna zu Füßen gelegt worden waren.
Fedor Zadek konnte sich nicht satt sehen. Er kannte viele Gegenstände von Abbildungen her, war aber dennoch überrascht von der Pracht, die sich ihm darbot.
Natascha kehrte immer wieder zu einem venetianischen Kelch zurück, den König Wisniowiecki dem Kloster vermacht hatte.
»Gefällt er Ihnen so gut?« fragte Pater Rochus.
Sie nickte. »Hier deutet sich der auf Schlichtheit ausgerichtete Stil an, in dem Fedor arbeiten möchte.«
Der Mönch schaute zu dem jungen Goldschmied hinüber, der gerade eingehend ein Reliquien-Kruzifix betrachtete. »Arbeitet er an sakralen Werken?«
»Er möchte es, ist aber bei einem Juwelier angestellt und muß anfertigen, was verlangt wird.« Vorsorglich verlor sie kein weiteres Wort über Fedors Absichten und Pläne.
Natascha nahm keinen Anstoß daran, daß Fedor nach dem Besuch der Schatzkammer erklärte, nicht mit in die Kirche gehen zu wollen. Im Gegenteil, die Vorstellung, eine Weile mit Pater Rochus allein zu sein und sich von ihm in die Gnadenkapelle führen zu lassen, war nicht ganz ohne Reiz für sie.
Dem Pauliner schien es ähnlich zu gehen; denn er hatte sofort Verständnis dafür, daß der Goldschmied auf den Besuch der Messe verzichten und die Zeit dazu benutzen wollte, einige Skizzen vom Kloster zu machen.
Fedor Zadek amüsierte sich über die beiden. Die kleinen Funken, die zwischen ihnen überspringen mochten, störten ihn nicht. Wichtig war ihm einzig und allein, daß ein Kontakt geschaffen wurde, der sich durch eine Einladung nach Warschau, die Natascha bei passender Gelegenheit aussprechen sollte, noch festigen ließ. Im übrigen wollte er die nächste Stunde dazu benutzen, eine Monstranz in den Grundformen des Turmes der Basilika zu entwerfen. Das war vielleicht kitschig, gewiß aber wirkungsvoll.
Mehrfach schaute er hinter Natascha und Pater Rochus her, die, statt eilig der Kirche entgegenzustreben, immer wieder stehenblieben und lebhaft miteinander redeten. Er beobachtete, wie der Pauliner temperamentvoll die Hände zusammenschlug und sich nach hinten bog, so daß man ihn förmlich lachen hörte.
Sie weiß ihn zu nehmen, dachte der Goldschmied zufrieden und skizzierte mit schnellen Strichen das ungewöhnliche Bild, das Natascha und Pater Rochus boten. Hier Wespentaille, Rüschen an Kragen und Ärmeln, ein sich bauschender langer Rock und hochhackige Schuhe. Dort die schlichte, glatt herabfallende weiße Kutte des Pauliners, unter der flache Sandalen hervorlugten.
Fedor Zadek eilte zum Vorplatz unterhalb der Festungsmauer und stellte angenehm überrascht fest, daß die Form des drei Stilepochen aufweisenden Kirchenturmes eine geradezu ideale Vorlage für die Gestaltung einer Monstranz bot. Er brauchte nur den massiven Unterbau zu verjüngen, den Platz der Turmuhr zu einem kleinen Tabernakel für die Hostie umzugestalten und einen streng gegliederten Strahlenkranz anzubringen.
Sogleich machte er sich an die Arbeit, und er vertiefte sich so sehr darin, daß er die Zeit vergaß und erstaunt aufblickte, als Natascha und Pater Rochus plötzlich vor ihm standen.
»Gut, daß wir dich entdeckt haben«, sagte sie vorwurfsvoll. »Du
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