Schakale Gottes
daran, wenn Juden aus dem Park vertrieben wurden; Hauptsache, sie konnte ihre immer reichhaltiger werdende Garderobe, die sie vor Babuschka und Fedor verbarg und in ihrer Wohnung aufbewahrte, genüßlich zur Schau stellen. Aber dann ereignete sich etwas, womit Natascha nicht gerechnet hatte. Fedor rief beim Telefonamt an und wünschte sie zu sprechen, um ihr zu sagen, daß er eine mit ihr getroffene Verabredung nicht einhalten könne, da sein Chef ihn zum Abendessen eingeladen habe. Sein Erstaunen war natürlich groß, als er erfuhr, daß Natascha ihre Stellung aufgegeben hatte.
Was mag das zu bedeuten haben, fragte er sich und ging am darauffolgenden Abend in die Ujazdower Allee, wo Natascha ihn vorwurfsvoll empfing. »Wir waren doch für gestern verabredet«, sagte sie ungehalten. Er stellte sich verwundert. »Für gestern? Ich hab' gedacht für heute. Über eine Stunde habe ich vor dem Zamoyski-Palast gewartet.«
Sie schürzte die Lippen. »Dussel!«
Er schloß sie in die Arme. »Dafür werde ich heute abend besonders nett zu dir sein.«
Augenblicklich war sie versöhnt. Mit keinem Wort ließ Fedor erkennen, daß er von Nataschas Kündigung wußte. Das behielt er auch für sich, als er am nächsten Morgen mit ihr in die Stadt ging. Er verabschiedete sich von ihr in Höhe des Bahnhofes, ging dann aber nur so lange in Richtung des Juweliergeschäftes, bis er im Spiegelbild eines Schaufensters erkannte, daß Natascha nicht, wie üblich, in der Marschalkoskaja blieb, sondern in die Jerusalimskaja einbog. Sofort eilte er zurück, verfolgte sie unauffällig, sah, daß sie in einem Hauseingang verschwand, und stellte wenig später verblüfft fest, daß sich an einer der Wohnungsklingeln ein Schild mit der Aufschrift ›Natascha Górski‹ befand. Das Blut schoß ihm in den Kopf. Erstmalig verspürte er so etwas wie Eifersucht. Weshalb hatte Natascha sich eine eigene Wohnung gemietet? Warum hatte sie ihm das verschwiegen? Steckte Pater Rochus dahinter? Es konnte nicht anders sein. Der Pauliner schien im Geld zu schwimmen. Ob er es rechtmäßig erworben hatte, stand auf einem anderen Blatt.
Fedor Zadek war davon überzeugt, daß Pater Rochus krumme Wege ging. Doch das erschreckte ihn nicht, das hatte er längst vermutet. Wenn seine Annahme sich aber als zutreffend erwies, mußte er versuchen, es Natascha gleichzutun.
Ohne lange zu überlegen, eilte er zu seiner Arbeitsstätte, erbat für einige Stunden Urlaub und kehrte auf schnellstem Weg zur Jerusalimskaja 23 zurück. Was würde Natascha für ein Gesicht machen, wenn er unverhofft vor ihr stand? Er empfand eine fast satanische Freude bei dem Gedanken, sie nun beherrschen zu können. Wie würde sie sich herausreden?
Als ginge er einen gewohnten Weg, begab er sich in die zweite Etage und klingelte.
Schritte wurden laut. Die Tür wurde geöffnet. Natascha stand vor ihm. Ihre Augen waren schreckgeweitet. Ihr Mund öffnete sich wie zu einem Schrei.
»Darf ich eintreten?« fragte Fedor.
»Woher weißt du …?«
»Sage mir lieber, seit wann du diese Wohnung hast!«
»Pater Rochus … Er hat mich gebeten … Er wollte …«
Fedor gab ihr eine schallende Ohrfeige. Natascha taumelte.
»Du kannst von mir aus tun, was du willst«, sagte Fedor in aller Ruhe und schloß die Wohnungstür hinter sich. »Nur belügen darfst du mich nicht. Das habe ich nicht verdient. Also heraus mit der Sprache! Du hast dich ihm hingegeben, und er bereitet dir jetzt ein angenehmes Leben. Stimmt's?«
Natascha war so verstört, daß sie nickte und nicht daran dachte, sich zu verteidigen.
»Na also! Wäre es nicht anständiger gewesen, mir reinen Wein einzuschenken und mich an deinem phänomenalen Aufstieg teilhaben zu lassen?«
Sie sah ihn unsicher an.
»War ich jemals engherzig?«
Natascha schüttelte den Kopf.
»Dann bitte ich dich, das in Zukunft nicht zu vergessen und Heimlichkeiten allenfalls mit mir, nicht aber mit Pater Rochus zu haben.«
Ganz schien Natascha noch nicht zu begreifen, daß Fedor ihr keine ernstlichen Vorwürfe machte.
Er grinste sie an. »Los, zeig mir die Wohnung.«
»Ist alles gut?«
»Das weiß ich noch nicht. Wo ist das Schlafzimmer?«
Sie öffnete verschämt eine Tür.
»Donnerwetter!« entflog es ihm.
»Gefällt es dir?«
»Schon eingeweiht?«
»Nein.«
Er riß sie an sich. »Zieh dich aus! Bis Mittag habe ich Zeit.«
Das Schicksal wählt oft die seltsamsten Wege, um einen Zufall herbeizuführen. Hätte Pater Bazil die Schlösser in den beiden
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