Schakale Gottes
nehmen. Als dies geschehen war, fuhr Pater Markus zu seinem Bruder.
Er hatte sich kaum auf den Weg gemacht, da bat Prior Rejman die Patres Bazil und Rochus zu sich und eröffnete ihnen, daß ihr Ordensbruder Pius in der Nacht gestorben sei, er forderte sie auf, unverzüglich die notwendige Bestandsaufnahme der Hinterlassenschaft vorzunehmen und alles Vorhandene sicherzustellen.
»Der Verstorbene befindet sich noch in seiner Zelle«, sagte er und bekreuzigte sich. »Schaut gegebenenfalls auch unter seiner Matratze nach. Er erzählte mir kürzlich, daß er ein Testament aufgesetzt habe und über einen namhaften Betrag verfüge.«
Der Auftrag war alles andere als begehrenswert. Bei der Vorstellung, den Toten aus dem Bett heben zu sollen, um unter seiner Matratze nach verborgenen Dingen zu suchen, sträubten sich Pater Rochus die Haare.
Der stellvertretende Custos beruhigte ihn. »Wir werden das Unterste nicht zuoberst kehren müssen; denn ich weiß zufällig, daß Bruder Pius vor Jahren in seiner Zelle eine Kassette einmauern ließ. Wenn wir den Schlüssel haben, und den hat er sich wahrscheinlich um den Hals gehängt, erübrigt sich jede weitere Suche.«
Als sie in die Zelle eingetreten waren, bekreuzigten sich beide, knieten vor dem Verstorbenen nieder und beteten ein Paternoster und ein Ave Maria. Dann erhoben sie sich, betrachteten das wächserne Gesicht des Toten, sprachen flüsternd über sein erlöstes Aussehen und hielten Ausschau nach der Kassette. Die aber war nicht zu entdecken.
Pater Bazil zog kurzerhand das Bett von der Wand. Er hatte gut kombiniert. Genau unterhalb des Seitenbrettes wurde der weißgestrichene Deckel eines in die Wand eingelassenen kleinen Tresors sichtbar. »Na also«, sagte er selbstgefällig. »Das Ding konnte sich nur hinter dem Bett oder hinter dem Schrank befinden. Jetzt fehlt uns lediglich noch der Schlüssel. Aber auch den werden wir gleich haben.« Er trat an den Toten heran.
Pater Rochus wich unwillkürlich einen Schritt zurück.
Der stellvertretende Custos öffnete das Hemd des Verstorbenen. Außer einer dünnen Kette mit einem silbernen Kreuz trug er nichts um den Hals. Suchend schaute Pater Bazil um sich. »Wo könnte der Schlüssel wohl sein?«
»Vielleicht auf dem Schrank?«
»Glaube ich nicht. Aber sieh nach.«
Pater Rochus stieg auf einen Stuhl. »Nein, da liegt nichts.«
»Dann vielleicht zwischen der Wäsche.« Vergeblich durchsuchten sie alles, bis Pater Bazil auf die Idee kam, im Schrank den kleinen Überbau über der Tür abzutasten. »Die Bibel hat wieder einmal recht«, sagte er. »Wer da sucht, der findet.«
Gott sei Dank, dachte Pater Rochus, dem davor gegraut hatte, den Toten doch noch aus dem Bett heben zu müssen.
Pater Bazil öffnete den Safe, nahm ein Bündel Papiere heraus und blickte verwundert auf. »Das hätte ich dem alten Pius nicht zugetraut. Wertpapiere!«
»Laß sehen.«
»Und zwar eine ganz schöne Menge. Staats-Obligationen in Höhe von …«, er zählte die Papiere fast wie ein Bankbeamter, »… zweiundzwanzigtausend Rubelchen!«
Das ist die Chance, schoß es Pater Rochus durch den Kopf. Wenn wir teilen, habe ich, was ich im Moment brauche, und Bruder Bazil ist dann für immer in meiner Hand.
»Hier ist auch sein Testament«, fuhr der stellvertretende Custos geschäftig fort. »Eigentlich schade, daß er eins gemacht hat.« Er tat so, als wollte er einen Scherz machen. »Ohne diesen Wisch hätten wir allerhand einstecken können.«
Pater Rochus ging auf den Hinweis ein. »Lassen wir das Testament doch einfach verschwinden.«
Bruder Bazil stellte sich verblüfft. »Meinst du das im Ernst?«
»Kommt drauf an.«
»Worauf?«
»Was du von der Sache hälst.«
Pater Bazil überflog das Testament. »Er vermacht seinem Neffen Karol Szymanski seine gesamte Habe.«
»Und der weiß garantiert nichts von seinem Glück.«
»Eben.«
»Also, teilen wir.«
»Langsam, langsam«, warnte der stellvertretende Custo. »Prior Rejman weiß, daß Pater Pius ein Testament gemacht hat. Wenn er den Inhalt kennt, könnten wir in eine böse Klemme geraten. Wir müssen anders vorgehen. Am besten lassen wir Wertpapiere in Höhe von fünfzehntausend Rubeln in der Schatulle und teilen uns, was darüber hinaus vorhanden ist. Dann legen wir den Schlüssel zurück und sagen, wir hätten weder im Bett noch sonstwo ein Testament oder dergleichen gefunden. Gibt der Prior sich damit zufrieden – gut – dann holen wir uns den Rest. Wenn nicht, dann suchen
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