Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schakale Gottes

Titel: Schakale Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bergius C.C.
Vom Netzwerk:
Gegensatz zu Babuschka machte sich Fedor keine Gedanken. Für ihn war der Fall klar. Von dem Augenblick an, da Natascha seine Begrüßungsfrage: »Na, wie war die Reise?« mit der lapidaren Antwort quittiert hatte: »Wie soll sie schon gewesen sein? Nett, sehr nett sogar«, wußte er genug.
    Sie hat sich ihm hingegeben, war sein erster Gedanke gewesen. Später war er sich nicht mehr ganz so sicher. Natascha hatte ihn gebeten, die Nacht in der Ujazdower Straße zu verbringen, und sie war ungewöhnlich leidenschaftlich gewesen. Doch wozu Überlegungen anstellen? Ihm war es gleichgültig, ob sie sich mit Pater Rochus eingelassen hatte oder nicht. Was ihn störte, war ihre erkennbare Unaufrichtigkeit. Sie mußte wissen, daß sie kein Geheimnis vor ihm zu haben brauchte; er selbst war es ja gewesen, der sie auf den Pauliner angesetzt hatte. Sie konnte tun, was sie wollte, sollte nur das gemeinsame Ziel nicht aus dem Auge verlieren.
    »Über den von uns erhofften Auftrag scheinst du überhaupt nicht mehr mit Pater Rochus zu sprechen«, sagte er unwillig, als sie am nächsten Morgen gemeinsam das Haus verließen.
    »Weil das im Moment keinen Sinn hätte«, entgegnete Natascha unbefangen. »Bevor du den Kelch und die beiden Gefäße nicht fertiggestellt hast und vorzeigen kannst, hat es keinen Zweck, an den Prior heranzutreten. Wie weit bist du überhaupt mit der Arbeit?«
    »Ich komme verdammt langsam voran. Wie du weißt, stellt mir die Werkstatt nach der Arbeitszeit nur für zwei Stunden zur Verfügung. Sonst wäre ich am nächsten Tag müde, meint mein hoher Chef. Er fürchtet, die anderen Arbeiten könnten darunter leiden. Vor Ende Oktober werde ich nicht fertig sein.«
    Man trennte sich in der Marschalkoskaja in Höhe des Warschau-Wien-Bahnhofes, in dessen Nähe Fedors Arbeitsstätte lag. Zum Hauptpostamt mußte Natascha noch etwas weiter gehen, und gerade dieses letzte Ende, das ihr oftmals wenig Vergnügen bereitet hatte, legte sie an diesem Tage überaus beschwingt zurück. Sie konnte es kaum erwarten, vor ihren Vorgesetzten hinzutreten und ihm zu sagen, daß sie die Stellung kündige und um die sofortige Entlassung bitte.
    Man machte ihr keine Schwierigkeiten. Mit dem sicheren Gefühl, einer besseren Zukunft entgegenzugehen, verließ Natascha die Telefonzentrale und begab sich zur Warschauer Kreditanstalt, wo sie einige tausend Rubel einzahlte, die Pater Rochus ihr am Schluß der Reise zugesteckt hatte. Danach besuchte sie einen Wohnungsmakler, der ihr auf der Stelle eine Dreizimmer-Wohnung in der Jerusalimskaja 23 anbieten konnte. Geradezu unglaubhaft erschien es ihr, daß sie in einer so günstigen Lage eine Wohnung bekommen sollte. Sie befand sich in der Nähe der Alexander-Kirche, in der Pater Rochus während seiner Aufenthalte in Warschau gelegentlich Messen lesen wollte, und sie war auch nicht weit von der Ujazdower Allee entfernt.
    Ein Taumel erfaßte Natascha. Tagelang lief sie von einem Möbelgeschäft zum anderen. Von Tapezierern und Dekorateuren ließ sie sich beraten und tat alles, um den Wunsch von ›Monsieur Dabrow‹, ein verführerisches Liebesnest zu schaffen, auf das vollkommenste zu erfüllen. Sie kaufte ein französisches Doppelbett, ließ darüber einen chinesischen Lampion anbringen, hinter dem Bett ein Bild mit drei Grazien im Jugendstil aufhängen und legte auf den Veloursteppich einige Eisbärenfelle, die in Verbindung mit einem frei stehenden, schwenkbaren Spiegel eine unerhört erotische Atmosphäre schufen. Dazu trugen auch schwere, geschwungen drapierte Brokatvorhänge, ein künstlicher Makart-Strauß und eine rote Glühbirne bei, mit der sie den Lampion ausstattete, nachdem alle Handwerker gegangen waren. Verführerischer konnte sie sich kein Liebesnest vorstellen. Und alles entsprach dem Stil der Zeit und war hochmodern.
    Natascha genoß es, morgens ihre Wohnung aufzusuchen, sich auf das Bett zu legen oder sich in allen möglichen Posen vor dem Spiegel zu bewegen und zu träumen, von Monsieur Dabrow in die Arme genommen zu werden. Sie machte sich keine Gedanken darüber, daß Babuschka oder Fedor ihr Doppelleben aufdecken könnten; denn sie verließ die Villa in der Ujazdower Allee allmorgendlich wie eh und je und begleitete Fedor bis zur Marschalkoskaja, wenn er die Nacht über bei ihr geblieben war. Tagsüber bummelte sie durch die Stadt und suchte Geschäfte und Kaffeehäuser auf. Oder sie promenierte als elegante Dame im Sächsischen Garten. Sie nahm nun keinen Anstoß mehr

Weitere Kostenlose Bücher