Schakale Gottes
Korridortüren zur Schatzkammer nicht auswechseln lassen, würde Pater Markus nicht zu seinem Bruder gefahren sein, um von ihm die Anfertigung von zwei neuen Schlüsseln zu erbitten. Der Kunstschlosser wiederum, vor dem Pater Markus keine Heimlichkeiten hatte, empfahl seinem Bruder, doch nicht so dumm zu sein, sich mit Geld zu begnügen.
»Größere Summen lassen sich nur schwer verstecken«, sagte er. »Und beim Umtausch in eine andere Währung ist man meistens der Dumme. Ein Edelstein hingegen läßt sich bequem mitnehmen. Schon mit einem einzigen Prachtexemplar bist du in Amerika ein gemachter Mann.«
Pater Markus leuchtete dies ein, und er entschloß sich, seinen Ordensbruder zu bewegen, ihm bei der Beschaffung eines Brillanten, Rubins oder Smaragdes behilflich zu sein. Dafür wollte er auf jede Beteiligung bei der neuerlichen ›Geldbeschaffung‹ verzichten.
Pater Rochus wies das Ansinnen zunächst zurück. »Das ist viel zu gefährlich«, erklärte er. »Wenn wir uns an eine Monstranz, einen Kelch, Bischofsstab oder ein Kruzifix heranmachen, würde der fehlende Stein sofort bemerkt werden.«
»Aber du hast doch einen Brillanten …«
»Das war etwas ganz anderes. Der war von einer vermögenden Dame gestiftet und ist nie in die Schatzkammer gewandert. Zum Ausgleich habe ich dir damals fünfhundert Rubel gegeben.«
Pater Markus gab nicht nach. »Und was ist, wenn wir uns vorher eine entsprechende Imitation besorgen und sie gegen den echten Stein austauschen?«
»Gut gedacht. Aber wer besorgt uns die Nachahmung?«
»Du hast doch einen Goldschmied kennengelernt. Für den müßte es eine Kleinigkeit sein, eine in Farbe, Form und Größe exakte Imitation zu beschaffen.«
Pater Rochus' Stirn legte sich in Falten. Die Idee war glänzend. Einen Versuch sollte er machen. Wenn es klappte … »Probieren wir es«, sagte er nach kurzer Überlegung. »Mein Bekannter müßte tatsächlich in der Lage sein, uns eine genaue Nachbildung zu besorgen.«
Zwei Tage später schlichen sie nach Mitternacht zur Schatzkammer. Die neuen Schlüssel paßten, und es gelang ihnen ohne Schwierigkeit, an den Tresor zu gelangen, dem Pater Rochus zehntausend Rubel entnahm. Dann maß er den Saphir einer Monstranz auf den Millimeter genau aus und fertigte eine Skizze an, in die er die Maße der oberen Fläche und der Facetten säuberlich eintrug. Dabei dachte er: Falls Fedor für diesen Stein eine Imitation anfertigen kann, werde ich nicht das letzte Mal Maß genommen haben.
Mehr denn je drängte es ihn, nach Warschau zu fahren. Natascha hatte ihm mitgeteilt, daß sie eine Wohnung bekommen und sie bereits eingerichtet habe. Im Augenblick konnte er sich jedoch beim besten Willen nicht freimachen. Der 15. August stand kurz bevor. Am Mariä-Himmelfahrts-Tag wurden in Czenstochau für gewöhnlich an die hunderttausend Pilger erwartet. Das erforderte die Mitarbeit aller und machte den zusätzlichen Einsatz einer eigens dafür geschaffenen ›Garde der Madonna‹ notwendig. Sie hatte den Menschenstrom zu lenken und auch für ein reibungsloses Weiterleiten der Gelder zu sorgen, die an diesem Tag von vielen Mönchen eingesammelt wurden. Die Mützen der Garde waren mit einer Marienkokarde versehen.
Pater Rochus teilte Natascha mit, daß er sie am ersten Wochenende nach Maria Himmelfahrt aufsuchen werde, und sie fieberte der Stunde entgegen, da sie ihm die Wohnung zeigen konnte. Sie wunderte sich über sich selbst. Nachdem sie sich mit Fedor bereits mehrfach in der Wohnung getroffen und im Schlafzimmer höchst lustvolle Stunden verbracht hatte, wäre es eigentlich natürlicher gewesen, wenn sie der Begegnung mit Beklemmung entgegengesehen hätte. Doch das war nicht der Fall. Vielleicht lag es daran, daß sie Pater Rochus, alias Monsieur Dabrow, mehr als Mensch denn als Liebhaber schätzte. Bei ihm fühlte sie sich geborgen. Er war für sie ein Mann, in dem sich Vater und Liebhaber und Grandseigneur vereinten. Zudem war er so behutsam mit ihr, daß sie sich seinen Liebkosungen voll hingeben konnte.
Natascha brauchte sich nicht zu verstellen, als Monsieur Dabrow zum erstenmal ihre Wohnung betrat. Es dauerte auch nicht lange, bis sie mit ihm in der Badewanne plätscherte und dabei ein Glas Champagner trank. Es reizte sie, ihn hinzuhalten, und so erzählte sie von Fedor, der mit seiner Arbeit gut vorwärtskomme, von Roman, der nicht mehr in Krakau, sondern in Wilna studiere, weil er sonst beim Abschlußexamen vor der russischen Kommission mit
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