Schakale Gottes
Lago Maggiore«, schwärmte Monsieur Dabrow. »Wir werden auf das Dach steigen und dort an Babuschka die obligate Postkarte schreiben.«
»Das sollten wir nicht tun«, widersprach Natascha. »Babuschka könnte es als taktlos ansehen.«
»Du meinst, wegen des verunglückten Abends?« fragte er verwundert.
»Auch.«
»Dafür waren doch nicht wir verantwortlich.«
»Natürlich nicht. Aber ich mußte nachher mit Babuschka sprechen, und ich habe ihr, um die Reise nach Rom begründen zu können, erzählt, du trügst dich mit dem Gedanken, aus dem Kloster auszutreten und mich zu heiraten.«
Monsieur Dabrow, alias Pater Rochus, verlor die Beherrschung. »Bist du wahnsinnig geworden?« brauste er auf.
Natascha wurde ratlos. »Ich habe das doch nur gesagt …«
Er fuhr mit den Händen erregt durch die Luft. »Wie stehe ich jetzt da! Was muß Babuschka von mir denken! Ein Pater, noch dazu ein Pauliner, der mir nichts, dir nichts seinen Orden verläßt …?«
Natascha war entgeistert. »Ja, haben wir denn aneinander vorbeigeredet? Hast du nicht vor, mich zu heiraten und mit mir auszuwandern, wenn die Transaktion mit den Edelsteinen geklappt hat?«
»Es ist viel zu früh, um darüber jetzt schon zu sprechen«, entgegnete er unwillig. »Ich habe ein Gelübde abgelegt …«
»Und was ist mit dem Gelübde der Keuschheit?« unterbrach ihn Natascha aufgebracht. Ihr Temperament ging mit ihr durch. »Um dieses Gelübde machst du dir keine Gedanken. Hauptsache, du bekommst, was du haben willst. Nachdenklich wirst du erst, wenn dir etwas abverlangt wird. Dann erinnerst du dich plötzlich an Gelübde und dergleichen Dinge.«
Um Natascha zu beruhigen, legte er beschwichtigend den Arm um sie. »Was ist nur in dich gefahren?«
Sie stieß ihn zurück. »Das solltest du dich mal fragen.«
Der Abend war nicht mehr zu retten. Wortlos aßen sie in der ›Galleria‹, einer imponierenden Passage, die elektrisch erleuchtet war. Beide ärgerten sich über sich selbst, bis Monsieur Dabrow sich sagte: Schnelles Nachgeben wird als Großzügigkeit empfunden, spätes hingegen als Schwachheit ausgelegt. Er ergriff ihre Hand. »Entschuldige, Natascha. Du hast absolut recht. Ich habe unverantwortlich egoistisch gedacht. Selbstverständlich werde ich dich heiraten, sobald sich unsere Pläne erfüllt haben. Ich werde es allerdings tun, ohne mich mit dem Orden herumzuschlagen. Wenn es soweit ist, verlassen wir einfach das Land und beginnen anderswo ein neues Leben.«
Natascha lenkte nur zu gerne ein. Es blieb aber ein Stachel in ihr, den sie auf der ganzen Reise nicht wieder los wurde. Immer wieder fragte sie sich, ob Monsieur Dabrow, alias Pater Rochus, es ernst meinte, wenn er erklärte, das Klosterleben aufgeben zu wollen. Offensichtlich bangte ihm vor dem Entschluß. Befürchtete er, gestraft zu werden?
Natascha fühlte sich erleichtert, als sie am nächsten Tag wieder im Zug saßen und die Landschaft ihre trüben Gedanken ablenkte. Sie konnte nicht schnell genug nach Rom kommen; es war, als erwarte sie das Heil von dieser Stadt. Aber hinter Bologna flößten ihr die Täler Angst ein. Sie waren ihr zu rauh, zu ausgewaschen, stellten Felsen in ihrer ganzen Nacktheit bloß und gewährten keinen Platz für menschliche Behausungen.
Als der Zug sich endlich Rom näherte und Vororte wie die häßlichen Arme eines Kraken in die Landschaft griffen, empfahl ihr Domnik: »Schau nicht mehr aus dem Fenster. Du bist sonst genauso enttäuscht, wie du es in Wien anfangs warst.«
Sie befolgte seinen Rat und war ihm dankbar dafür, als der Zug in die Stazione della Ferrovia einlief und sie sich von einem Häusermeer umringt sah, das Beklemmung auslöste. Doch der Schein trog. Sehr bald erkannte Natascha die großzügige Anlage der zumeist geradlinig verlaufenden Straßen. Über die Via Nazionale und den Corso Vittore Emanuele fuhren sie zum Albergo Minerva, einem neuen Hotel mit fließendem Wasser, das unmittelbar hinter dem Pantheon lag.
Nicht ohne Grund hatte Domnik dieses Hotel gewählt. Er wollte Natascha gleich am nächsten Morgen in den berühmten römischen Tempel führen, dessen Aussehen seit dem Jahre 130 n. Chr. völlig unverändert geblieben ist. Seine mächtige Kuppel ruht auf einem trommelförmigen Unterbau, und das Verhältnis der Kuppel zur Trommel ist so vollkommen und einfach, daß jeder Beschauer es als die einzige aller Möglichkeiten ansieht. Kreis und Kugel sind zu einem Element geworden.
Ganz bewußt führte Monsieur Dabrow
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