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Schalom

Titel: Schalom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Bloch schauen und auf das Chamäleon warten, um zu beobachten, wie es die Farbe änderte, wenn es von den grünen Zweigen des Maulbeerbaums auf den schwarzen Stamm des Olivenbaumes wechselte.
    Als er das weiße Gesicht Annas gesehen hatte, noch bevor er mit ihr ein Wort gewechselt hatte, wusste er, dass seine Mutter und sein Vater sie nicht akzeptieren würden. Natürlich hatte er damals nicht ahnen können, wie weit es führen würde, er hatte sowieso keine großen Hoffnungen auf dieses schöne Mädchen gehabt, er hatte sie nur betrachtet, als sähe er das Bild einer fernen Landschaft.
    Das war bereits einige Monate nach Noas Abreise nach Amerika, und obwohl die Dinge zwischen ihnen nicht ausgesprochen waren, wussten beide, dass es das Ende ihrer Beziehung bedeutete. Dennoch hielt er sich Anna gegenüber zurück. Sie war sehr schön, aber er wusste, dass sie eine Deutsche war. Er hatte persönlich nichts gegen die Deutschen, wusste aber, dass es seine Eltern verletzen würde, und das machte, ohne dass er groß darüber nachdachte, einen Strich durch seinen Wunsch, sie anzusprechen. Aber seine Blicke folgten ihr, und es dauerte nicht lange, da merkte er, dass sie, als sie die Theke der Uni-Cafeteria mit einer Kaffeetasse in der Hand verließ, ihn anschaute und auf ihn zukam. Das hatte ihn erschreckt, er hatte sich auf dem Stuhl aufgerichtet. Hatte sie seinen Blick bemerkt? Er fürchtete, sie würde ihn als Glotzer beschimpfen.
    Anna zögerte nicht, sie ließ seinen Ängsten keine Zeit.
    »Darf ich?«, fragte sie auf Hebräisch und deutete auf den freien Stuhl an seinem Tisch.
    Aus der Nähe leuchtete ihr Gesicht noch strahlender, als er gedacht hatte.
    »Sicher, klar«, beeilte er sich zu sagen und schob den Tisch mit dem Bein ein wenig zur Seite, als er aufstand, um für sie den Stuhl zurechtzurücken.
    »Mir ist aufgefallen, dass du mich beobachtest«, sagte sie.
    Er senkte den Blick, wie jemand, der auf frischer Tat ertappt worden war, und wusste lange nicht, was er sagen sollte. Dann fing er sich etwas und sagte leise, als hätte er Angst, seine Worte könnten gehört werden:
    »Du bist ganz einfach schön.«
    Doch er hatte es kaum ausgesprochen, da stockte sein Atem, als er ihre kühle Hand auf seiner spürte.
    Sie sagte: »Das ist sehr schön, wie du das sagst.« Ihre Augen leuchteten voller Zuneigung, ein Blick, wie er ihn noch nie gespürt hatte.
    Er saß kerzengerade und wagte es nicht, seine Hand zu bewegen, so lange, bis Anna ihre Hand wegnahm. Nie würde er diese erste zärtliche Berührung vergessen. Er hätte es nicht gewagt, einen fremden Menschen so zu berühren, ganz bestimmt keine Frau und vor allem keine Deutsche. Aber es war geschehen, und ab diesem Moment wusste er, dass er ein Problem hatte.
    Deshalb begnügte er sich lange mit ausgedehnten Gesprächen in der Cafeteria und bat sie nicht um ein Treffen außerhalb der Universität. Er erzählte ihr von seinen Eltern, von ihrem Verhältnis zu Deutschland und den Deutschen. Aber Anna ließ sich nicht nur nicht abschrecken, sie zeigte sogar volles Verständnis. Sie erzählte, dass sie in einem Altersheim in Achuza arbeite, in dem eine der Bewohnerinnen kaum noch ihren Namen wisse und ihren Sohn fast nicht mehr erkenne, sie hingegen würde sie erkennen und sei nicht bereit, sich von ihr betreuen zu lassen.
    Anna war es, die fragte, ob er sie nicht einmal zu einer Tasse Kaffee in seine Wohnung einladen wolle. Ohne sie hätte er vielleicht nie die Initiative ergriffen. Als er hinter ihr die Wohnungstür geschlossen hatte, begann er verlegen hin und her zu laufen, als wollte er aufräumen. Doch als er an ihr vorbeiging, hielt sie plötzlich seinen Arm fest und sagte: »Genug! Setzen wir uns!«
    Er hatte bis dahin noch nicht gewagt, sie zu berühren, aber als sie auf dem Sofa saßen und Anna ihren Arm auf die Rückenlehne legen wollte, berührte ihre Hand leicht und schwebend seinen Nacken. Vorsichtig strich er mit einem Finger über ihren Arm. Nie im Leben hatte er eine so glatte und weiche Haut gespürt, eine Haut, die nichts Raues an sich hatte. Als würde sie sich seinem Finger völlig hingeben. Anna war natürlich nicht die erste Frau, die er berührte, aber die glatte Weichheit, mit der ihre Haut seine Berührung empfing, war so hinreißend, dass er seine Finger nicht mehr von ihr nehmen konnte.
    Sie streichelte seinen Nacken und drehte sein Gesicht zu ihrem. Er schaute in ihre Augen, die in seinen versunken waren, und beugte sich noch näher zu

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