Schalom
ihr. Lange Zeit hielten seine Augen die ihren fest, ihre Blicke ruhten ineinander. Sie schwiegen und ihre Lippen begegneten sich noch nicht, dennoch hatte er noch nie eine solche Nähe empfunden.
Als sich ihre Lippen endlich berührten, so, als würden sie gleichzeitig geöffnet, spürten sie die Anziehung ihrer Körper, und ihre Hände berührten den Körper des anderen, streichelten die Haut, ihre Körper schmiegten sich fest aneinander und konnten nicht genug bekommen. Seine Hand glitt über ihren Bauch und blieb zärtlich auf ihren Brüsten liegen, zugleich hielt ihre Hand, die in seiner Hose war, sein Glied so fest, dass sein Körper sogar jetzt, auf dem Balkon vor der Kastanie, bei diesem Gedanken anfing zu zittern. Von diesem Moment an waren ihre Seelen fest verbunden, sie wurde zu einem Teil seines Lebens, und er wusste, dass sie zusammenbleiben würden, auch wenn seine Eltern sie nicht akzeptierten. Die Frage, ob er es den Eltern erzählte, stand nicht mehr im Raum, sondern nur noch die Frage, wie und wann. Und als er mit ihnen sprach, hoffte er zwar, dass sie ihn nicht in die Enge treiben würden. Doch er wusste, wie seine Wahl ausfallen würde, falls er sich entscheiden müsste.
Anfangs dachte er noch, er könnte sie überzeugen, später hoffte er, die Zeit würde das Ihre tun. Doch am Ende, als sein Vater explodierte, als er hart mit der Faust auf den Tisch schlug und schrie: »Kein Deutscher wird dieses Haus je betreten! Auch deine Frau nicht und nicht ihre Kinder!«, und seine Mutter verlegen und traurig dasaß und kein Wort sagte, da begriff er, dass es sinnlos war, weiterzudiskutieren. Und er stand auf und verließ das Haus, ohne noch etwas zu sagen.
Schon damals war er nicht davon ausgegangen, dass Avri, der bei diesem Vorfall anwesend war, versuchen sollte, Einfluss zu nehmen, so wie er vermutlich auch jetzt nicht helfen konnte.
»Gut, Avri, ich werde es Gil mitteilen, aber ich bin nicht sicher, ob ich ihn davon abhalten kann. Vater und Mutter wollten mich auch beeinflussen und hatten keinen Erfolg damit. Im Übrigen habe ich keine Lust, Druck auf ihn auszuüben.«
5
Der Flugkapitän verkündete, dass die Maschine in vierzig Minuten auf dem Inlandsflughafen Sde Dov landen würde, und Avri sah hinunter auf das weiße Meer aus Wolle, das sich bis zum Horizont erstreckte.
Er dachte an seine Mutter und daran, was sie ihm aufgetragen hatte, an Jaki weiterzugeben. Nachdem sie es ihm mitgeteilt hatte, ging sie davon aus, dass Gil nicht zu ihr kommen würde. Es war sinnlos, ihr zu erklären, dass Gil eigene Wünsche hatte, dass er nicht notwendigerweise seinem Vater gehorchen würde und erst recht nicht seinem israelischen Onkel. Gil sollte in der kommenden Woche in Israel ankommen. Vicky hatte recht, als sie ihn drängte, zu seiner Mutter zu fahren, bevor Gil eintraf, aber er wusste nicht, wie er ihr erklären sollte, dass er keine Macht über diesen Jungen hatte.
Plötzlich spürte er eine leichte Berührung an seiner Schulter, er erschrak, schaute zur Seite und lächelte entschuldigend, als er sah, dass die Stewardess ihm ein kaltes Getränk anbot. Er nahm ein Glas Saft und vertiefte sich wieder in die weiße Wolle. Die Wolken verbargen alles. Wenn es etwas gab, was er während dieser Flüge mochte, dann waren es die scharfen Gegensätze zwischen der hellen Steppe, die sich unter ihnen ausbreitete, und den dunklen, riesigen Edom-Bergen. Seltsam, dass diesmal ein milchiges Flockenfeld den Blick auf den Boden verdeckte.
Vicky verstand nicht, warum er nicht direkt nach Haifa flog, aber er hasste den Weg vom Flughafen in der Bucht bis zum Haus seiner Mutter, durch das ekelhafte Industriegebiet und die engen und geschäftigen Straßen in der unteren Stadt. Er zog es vor, eine Viertelstunde länger mit dem Bus oder dem Zug die Küste entlangzufahren und sich beim Anblick des blauen Meers zu entspannen, besonders wenn er die Stadt hinter sich hatte. Und ganz besonders genoss er es, zu Fuß durch die Felder seiner Kindheit in Kiryat Eliezer hinaufzugehen bis zum Haus unterhalb des Bergs. Hier hatten Jaki und er gespielt, sie waren die steilen Bergpfade hinaufgeklettert, die niemand besser kannte als sie.
Wieder fragte er sich, wie es geschehen konnte, dass es ihnen nie in den Sinn gekommen war, ihre Eltern zu fragen, was mit ihnen passiert war, bevor sie hierherkamen. Als wäre das alles in einer anderen Welt geschehen, an der Jaki und er keinen Anteil hatten. Dass sie von sich aus nichts erzählt
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