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Schalom

Titel: Schalom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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einem Nachbarn eine Tasse Kaffee trinken?«, hatte er gefragt, und als sie nicht gleich antwortete, hatte er gehofft, die Erinnerung an ihren Mann würde sie dazu ermuntern, ihn einzuladen.
    »Ihr Mann, Frau Silber, hat mich immer wieder gebeten …«
    Sie hatte ihn scharf unterbrochen. »Sie sind aber kein einziges Mal gekommen!«
    Er konnte sich nicht daran erinnern, was er darauf geantwortet hatte. Er hatte die endgültige Ablehnung in ihrer Stimme und in ihren Augen gespürt und wusste nur noch, dass sie, bevor sie die Tür wieder zumachte, nicht versäumte, ihn daran zu erinnern, dass er ein Professor war und sie eine einfache Frau. Sie hatte gesagt: »Es tut mir leid, Professor«, nur den Titel, ohne Namen, »jetzt ist es zu spät.«
    Er meinte gehört zu haben, dass sie ihre Tür schloss, nachdem sie sich von dem jungen Riesen verabschiedet hatte. Doch als er hinaufkam, überraschte sie ihn.
    »Guten Morgen, Professor Salzbad«, sagte sie, obwohl er bereits ans Mittagessen dachte.
    Er nickte ihr kühl zu, hoffte, sie würde sich damit begnügen, aber sie schloss die Tür nicht, im Gegenteil, sie wartete ab, bis er die Treppe heraufgekommen war.
    »Haben Sie den Jungen gesehen, der gerade die Treppe hinuntergegangen ist?«, fragte sie. Als er nur nickte, sagte sie mit einem Stolz, den er nie zuvor an ihr beobachtet hatte: »Das ist mein Enkelsohn.«
    »Schön, schön!«, sagte er und ging zu seiner Wohnung.
    Vielleicht sollte er sich über eine andere Wohnung Gedanken machen. Nicht wegen Frau Silber, natürlich nicht. Dieser Enkelsohn hatte sie offenbar sehr erregt. Wie dem auch sei, normalerweise war sie keine Nervensäge. Aber dieses tägliche Hinaufsteigen in den dritten Stock fiel ihm immer schwerer. Im Erdgeschoss zu wohnen, wäre aber ausgeschlossen. Das hätte ihm noch gefehlt, dass alle Störenfriede dieser Welt in sein Fenster hineinschauen könnten. Dass er nicht auf seinem Balkon sitzen könnte, ohne die Grüße der Passanten entgegenzunehmen. Er müsste sich eine Wohnung in einem Haus mit einem Aufzug suchen. Die Mieter hier waren nicht in der Lage, einen Aufzug einzubauen, und die Eigentümer der Wohnungen wollten wohl nicht in ein Haus investieren, das auch ohne zusätzliche Kosten ihre Taschen vollpumpte.
    Er versuchte, an andere Dinge zu denken, aber das Bild der an der Wohnungstür wartenden Frau Silber ließ ihm keine Ruhe. Sie hätte sich bestimmt nicht die Mühe gemacht, auf ihn zu warten, nur um ihm zu sagen, dass der junge Mann ihr Enkelsohn war. In ihrer Stimme lag noch etwas anderes. Und warum bestand sie auf dem Titel Professor, ausgerechnet hier, zu Hause, wo er kein Professor war? War das eine Rache dafür, dass sie glaubte, er habe aus Arroganz die Einladungen ihres Mannes abgelehnt?
    Sie hatte zwar nur gesagt: »Das ist mein Enkelsohn«, aber er meinte zu verstehen, was sie nicht ausgesprochen hatte: Ich bin zwar kein Professor, aber ich habe Kinder und Enkel, und du? Was hast du von deiner Professur? Etliche Artikel und Bücher, die ein gewisser Mosche Sad geschrieben hat, du versteckst dich hinter diesem seltsamen Namen, den du dir gegeben hast, und bist in Wirklichkeit ein einsamer alter Mann, den kein Mensch kennt.
    Weil sie solche Gedanken in ihm weckte, ging er Frau Silber lieber aus dem Weg.

8
    Wäre Avri auf den Gedanken gekommen, dass er für den Flug um 11 : 30 Uhr vielleicht keinen Platz bekommen könnte, dann hätte er ein Buch mitgenommen. Er hatte zwar ein Ticket für den Flug um 13 Uhr, aber wie hätte er ahnen können, dass es mit dem Vorverlegen Probleme geben könnte, das hatte doch immer geklappt. Nun musste er mindestens eine Stunde warten. Er hatte vorgehabt, zu Hause zu Mittag zu essen, Vicky hatte heute frei und sie hatten sich verabredet, doch nun würden sie es wohl verschieben müssen.
    Da er es nicht bis zum Mittagessen schaffen würde, konnte er eigentlich versuchen, den Flug noch etwas weiter zu verschieben, um seine Mutter in Haifa zu besuchen. Aber er hatte keine Lust, so lange unterwegs zu sein. Außerdem, er war erst letzte Woche bei ihr gewesen.
    Es gab vielleicht Söhne, die ihre Mütter häufiger besuchten als er, aber niemand konnte behaupten, er vernachlässige sie. Er rief fast jeden Tag an und besuchte sie alle zwei, drei Wochen. Jaki war nach dem Tod des Vaters nicht ein einziges Mal bei ihr gewesen und hatte erst jetzt, weil sein Sohn kam, daran gedacht, sie anzurufen.
    Wenn er Gils Telefonnummer hätte, hätte er sich mit ihm in einem

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