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Schalom

Titel: Schalom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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einsteigen.«
    Diese Lüge akzeptierte sie und machte sofort Schluss. Er hatte kein Wort über Guy gesagt und hoffte, dass sie, auch wenn sie von dem Panzerunglück in den Nachrichten hörte, es nicht mit Guy in Zusammenhang bringen würde. Er hatte zwar beiläufig erwähnt, dass Guy in Gaza war, doch sie war so sehr mit ihrem neuen Enkelkind beschäftigt, dass sie es vielleicht gar nicht kapiert hatte.
    Er hatte das Handy noch nicht wieder in die Tasche gesteckt, da spürte er schon wieder das Vibrieren. Aber es war nicht Guy, es war Vickys aufgeregte Stimme.
    »Was ist los? Ich versuche schon die ganze Zeit, dich zu erreichen, und die Leitung war ewig besetzt! So hältst du die Leitung für Guy frei?« Sie wartete nicht auf eine Antwort und sagte sofort: »Guy hat angerufen. Es ist zwar in seinem Sektor passiert, aber nicht in seiner Kompanie.«
    Er teilte ihr mit, dass seine Mutter angerufen hatte. Einen Augenblick lang überlegte er, ob er ihr von Gils Besuch erzählen sollte, aber Vickys knappe Reaktion machte ihm klar, dass sie, auch wenn sie jetzt wusste, dass Guy nichts passiert war, sich noch weniger als er auf etwas anderes konzentrieren konnte. Er würde heute Abend alles erzählen, und er würde auch Jaki anrufen. Er fragte sich, ob Gil seinem Vater schon von dem Besuch erzählt hatte oder ob er es sein würde, der ihn davon in Kenntnis setzte. Bevor sie auflegten, sagte er ihr noch, dass er den früheren Flug nicht geschafft hatte, und fragte sie wieder, ob Gil nicht eine Telefonnummer hinterlassen hatte oder wenigstens den Namen des Heims, in dem er arbeitete. Nein, leider nicht, sagte Vicky. Avri tröstete sich damit, dass Gil jetzt noch im Bus oder im Zug sitzen würde, auf dem Weg von Haifa nach Tel Aviv. Der Name des Heims hätte ihm also sowieso nichts genützt.

9
    Avri hatte versprochen, am Abend, wenn er zu Hause war, anzurufen, aber er rief nicht an. Die Nachrichten im Fernsehen beschäftigten sich mit der großen Mine in Gaza. Nechama hatte schon lange ihr Interesse für diese Minen verloren. Jeden Tag das Gleiche, dachte sie, das eine Mal sind es wir, das nächste Mal die anderen, alle bekämpfen sich endlos.
    Sie suchte in anderen Kanälen nach etwas, das sie ablenken würde, aber in allen ging es nur um diese Explosion. Wenn es sonst nichts gab, schaute sie sich manchmal Naturfilme an, aber jetzt rannten dort nur große und hässliche Alligatoren herum und fraßen alles, was in ihre Nähe kam. Dieser Junge, der kleine Menachem, ging ihr nicht aus dem Kopf. Weil sie sonst nichts fand, schaute sie sich eine alberne amerikanische Talkshow an, sie hörte nicht wirklich zu und las nicht die Untertitel, aber sie schaltete den Fernseher auch nicht aus. Sie wusste, dass Avri nicht mehr anrufen würde, trotzdem saß sie so lange vor dem Fernseher, bis sie fast auf dem Sessel einschlief.
    Das passte nicht zu Avri. Es konnte vorkommen, dass er sich einige Tage nicht meldete, aber wenn er versprochen hatte anzurufen, vergaß er das nie. Irgendetwas war nicht in Ordnung, das war ihr klar. Warum war er gestern am Telefon so nervös gewesen? War es wegen dieses Taschentelefons? Er wusste, dass sie ihn nicht gern auf dem Handy anrief, doch er rief von unterwegs immer mit diesem Ding an. Sie hätte ihn nicht auf dem Handy anrufen sollen, aber sie hatte unbedingt mit jemandem über ihren neuen Enkel sprechen wollen. Natürlich hätte sie vor Zila damit prahlen können, wie groß und schön er war, aber wem konnte sie erzählen, wie sehr er ihrem Menachem glich, wenn nicht Avri? Und auch ihm konnte sie es nicht erzählen, weil Taschentelefone die Benutzer ungeduldig machten. Sie hatte auch gehört, es sei gefährlich, weil die Strahlen direkt ins Gehirn drangen. Sie hatte gehofft, es ihm wenigstens am Abend sagen zu können, aber Avri arbeitete sehr schwer, dazu kamen noch all diese Fahrten und Flüge, sogar Vicky sagte, dass er übertrieb, und sie hatte recht. Zumal es nicht notwendig war, denn Menachem hatte genug Geld für alle hinterlassen, auch für Jaki, allerdings sollte der sein Geld nicht im Land von denen ausgeben, ausgelöscht sei ihr Name und jede Erinnerung an sie.
    Nun gut, sie würde sich überwinden und morgen Vicky und Avri anrufen, bevor sie das Haus verließen.
    Am nächsten Morgen ging sie noch vor dem Kaffeetrinken zum Telefon, doch dann kam ihr der Gedanke, dass es vielleicht noch zu früh war. Vielleicht waren sie ja schon wach, aber was, wenn sie noch schliefen? Sie würde ihn doch

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