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Schalom

Titel: Schalom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Deutschland darüber, wenn es in Israel einen Verkehrsunfall gibt?«, fragte er verwundert.
    »Es ist nicht sicher, ob es ein Unfall war. Außerdem gab es viele Verletzte, darunter auch einige Deutsche.«
    Es lief ihm kalt über den Rücken, war es wegen der Angst, dass Gil in diesem Bus war? Solche Dinge passierten innerhalb von Sekunden. Menschen wurden einfach ausradiert. Er dachte »Menschen« und wusste, dass er es nicht wagte »Gil« zu denken.
    Er sprang auf und machte das Fernsehgerät an. Er zappte auf der Suche nach einem Kanal, der Einzelheiten über das Ereignis sendete. Im ZDF konnte er gerade noch die Reste des Busses sehen, eingehüllt in Rauch, der tief in einen Canyon gestürzt war, in einer bergigen Gegend, die wie Galiläa aussah, und die Rettungsmannschaften, wie sie mit Seilen versuchten, die Verletzten zu bergen.
    Wieder schaute er zur Uhr und rannte in die Küche. Die Zeit reichte, um sich vor den Nachrichten noch eine Tasse Kaffee zu kochen. Er drückte auf den Knopf des Wasserkochers, kippte Pulverkaffee in die Tasse, schaute wieder auf die Uhr und ging ins Wohnzimmer. An die Nummer des Altersheims erinnerte er sich nicht, aber Anna hatte sie auf die Tafel neben dem Telefon in der Küche geschrieben. Er wählte, und während er wartete, schaltete sich der automatische Schnellkocher aus. Er legte auf, goss heißes Wasser und Milch in seine Tasse und nahm sie mit ins Wohnzimmer. Jetzt müssten die Nachrichten kommen, doch stattdessen erschien ein Baby mit einem schokoladenverschmierten Gesicht auf dem Bildschirm, eine Werbung für Überraschungseier.
    Wieder nahm er das Telefon in die Hand, legte es aber hin, als der erste Ton der Nachrichten zu hören war. Er würde nach den Nachrichten anrufen.
    Das Warten war nervtötend. Er musste sich einen Bericht vom Kanzlerbesuch in Afrika anschauen, bevor es endlich kam. Die gleichen Bilder, die zerborstene Karosserie voller Rauch unten an einem steilen Hang, und überall verstreute Gegenstände. Die Rettungswagen hupten, das rote Licht flimmerte und die Menschen rannten auf der Straße oberhalb des Canyons zwischen den Rettungswagen herum und schrien die Retter an, die sich am Hang abseilten. Die Ansagerin sprach über die Zahl der Toten, als wären es Punkte, die in einer Sportveranstaltung gewonnen worden waren. Über den Ort sagte die Sprecherin nur, es sei in der Nähe eines Gefängnisses im Norden Israels geschehen, in dem Palästinenser einsaßen, die wegen Terroraktionen verurteilt worden waren. Wo zum Teufel war das? Ein Gefängnis in der Nähe einer Straße im Norden konnte nur das Gefängnis von Schata oder Meggido sein. Aber er hatte in der Sendung Stacheldrahtzäune gesehen, und im Fall von Schata war die Mauer direkt an der Straße. Außerdem waren beide Gefängnisse, Schata und Meggido, im Jezreel-Tal, dort gab es keine Canyons. Er fasste die heiße Tasse mit beiden Händen und vertiefte sich in die Bilder, doch der Kameramann bemühte sich, die restlichen Teile des rauchenden Busses zu zeigen, oder die Gegenstände, die auf dem Hang verstreut waren, aber er konnte nichts identifizieren.
    Welches Gefängnis gab es im Norden denn noch? Sosehr er auch überlegte, es wollte ihm keines einfallen. Er erinnerte sich nur an die große Flucht der Fedajin 13 aus dem Schata-Gefängnis, damals, als sie Kinder gewesen waren. Sogar Avri war erschrocken und hatte den Vater gefragt: »Können sie bis Haifa kommen?«
    Er selbst hatte diese Frage damals nicht herausgebracht, aber er hatte nicht bis nachts warten müssen, um Horrorbilder von Mördern mit blutverschmierten Messern vor sich zu sehen, die sich in die Häuser stürzten.
    Der Vater hatte sie natürlich beruhigt und gesagt, sie würden Richtung Jordanien fliehen und hätten bestimmt schon die Grenze bei Gilboa überquert, nicht weit von dem Gefängnis, um das es nicht einmal einen Zaun gab. Jaki fragte sich, ob es heute einen Zaun dort gab. Doch was spielte das jetzt für eine Rolle? Warum beschäftigte er sich mit solchem Blödsinn?
    Jaki konnte anhand der Bilder, die immer wieder im Fernsehen gezeigt wurden, den Ort nicht identifizieren, und er konnte sich auch nicht an ein anderes Gefängnis im Norden erinnern. Eines war allerdings klar: Die Unfallstelle war weit entfernt von Tel Aviv.
    Er wählte die Nummer des Altersheims, in dem Gil arbeitete. Es klingelte lange. Niemand ging dran. Vermutlich waren sie alle mit der Pflege der alten Leute beschäftigt. Dann antwortete die Stimme einer

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