Schalom
tun? Davon, dass Guy und Noemi sich getrennt hatten, würde er nichts sagen, bestimmt nicht bevor er mit Vicky gesprochen hatte. Also antwortete er nur kurz: »Alles in Ordnung.«
»Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?«
Sie hatte wohl etwas an seiner Stimme bemerkt, vielleicht an seinem Zögern. Schnell erkundigte er sich nach Gils Telefonnummer.
»Die habe ich dir doch schon gegeben, oder?«, sagte sie aufgebracht.
Er erklärte, dass er die Nummer zu Hause vergessen und nicht in sein Handy gespeichert hatte, das war ja die Wahrheit. Während er wartete, bis sie die Nummer fand, legte er sich ein Stück Papier zurecht, zog den Kugelschreiber aus der Hemdtasche und erreichte bereits Be’er Ora, als sie ihm die Nummer durchgab. Er hörte den Vorwurf in ihrer Stimme, als sie fragte, ob er nur wegen der Nummer angerufen habe. Natürlich bestritt er das und versuchte, sie zu überzeugen, er habe angerufen, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Und dann sei ihm eingefallen, dass er heute mit Gil sprechen wollte.
Noch ehe er das Telefon weggelegt hatte, klingelte es.
»Hast du mich angerufen?«, fragte Vickys erschrockene Stimme.
»Ja, ich wollte nur …«
»Avri, was ist los?«
»Warum denkst du denn, dass etwas los ist?«
»Avri, hör auf, mich auf die Folter zu spannen! Was ist passiert?«
»Es ist nichts passiert«, sagte er entschieden. »Beruhige dich!«
»Du kannst mir doch nicht einreden, dass du mich hundert Mal anrufst, wenige Minuten nachdem ich das Haus verlassen habe, nur um mir zu sagen … dass nichts ist!«
»Es geht um zwei Dinge«, sagte er. Guy habe angerufen, aber er könne ihr jetzt nichts Näheres erzählen, er habe jetzt keine Ruhe.
Er überlegte, ob es nicht besser wäre, vorher im Altersheim anzurufen und die Sache abzuklären, bevor er ihr seine Bedenken wegen Gil mitteilte.
»Und was war die zweite Sache?«, fragte Vicky.
»Nichts, ich wollte nur, dass du Gils Telefonnummer für mich herausfindest. Aber das hat sich erledigt, Mutter hat mir die Nummer gegeben.«
Vicky schwieg eine Weile und er konnte schon die dunklen Hügel des Timna-Parks erkennen.
»Avri«, sagte sie.
Und obwohl sie nur seinen Namen gesagt hatte, wusste er, dass sie misstrauisch war.
»Ich möchte, dass du mir sagst, was los ist. Was ist mit Gil?«
Er erklärte, er wisse gar nichts, ein Satz in den Nachrichten habe ihn auf eine verrückte Idee gebracht, er wisse nichts, es sei nur so eine Ahnung …
Ihre drängende Stimme unterbrach ihn erneut: »Avri, hör auf zu stottern. Sag endlich, was du in den Nachrichten gehört hast, ich will es genau wissen.«
»Es geht um den nicht identifizierten Toten in dem Bus, der in den Abgrund gestürzt ist. Man befürchtet, es könnte ein Tourist sein.«
Sie schwieg, und Avri ließ ihr Zeit, alles zu bedenken, doch das Schweigen wurde immer länger. Er wolle im Altersheim anrufen, sagte er, denn Gil hatte am Tag des Unfalls einen Ausflug machen wollen, aber wer weiß, ob er tatsächlich weggefahren sei.
»Gut«, sagte Vicky, »finde das im Altersheim heraus. Ich werde in der Zwischenzeit bei der Polizei nachfragen, ob es sich bei diesem Toten überhaupt um Gil handeln könnte.«
»Gut«, sagte er. Noch bevor er realisierte, wie Vickys effiziente Art ihn beruhigte und ein Lächeln auf seinem Gesicht erschien, hörte er sie fragen:
»Warum lächelst du?«
»Ich lächle nicht, ich bin ganz einfach …«
»… zufrieden mit dir«, beendete sie für ihn den Satz. »Ich weiß. Du kannst dir wirklich mal etwas anderes überlegen.« Jetzt sah er sie lächeln, aber sie unterbrach ihn. »Und vergiss nicht, mir Bescheid zu sagen.«
Vickys praktische Art gab ihm das Gefühl, zu wissen, was zu tun war. Er griff nach dem Zettel mit der Nummer. Trotzdem rief er nicht gleich an, er wollte nicht beim Fahren die Nummer ablesen und vor ihm tauchte bereits seine Firma auf. Am Tor war keiner, er musste das Büro anrufen und sagen, jemand solle ihm aufmachen, dann fuhr er auf den Parkplatz und schaltete den Motor aus. Doch er ging nicht gleich ins Büro, sondern wählte die Nummer des Altersheims. Niemand antwortete. Es klingelte, bis der Anrufbeantworter ansprang. Er legte auf und wählte erneut. Es dauerte ein bisschen, dann fragte ihn plötzlich die Stimme einer jungen Frau nach seinem Wunsch. Er stellte sich als Gils Onkel vor und fragte, ob er mit ihm sprechen könne. Das war er also jetzt: Gils Onkel. Vor Kurzem hatte er noch überlegt, wie er seinen
Weitere Kostenlose Bücher