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Schalom

Titel: Schalom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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sie gelten würde.
    Doch obwohl sie keinen Zweifel hatte, dass Menachem seinen Enkel mit Wärme aufgenommen hätte, konnte sie die Tatsache nicht leugnen, dass sie ihn nicht einmal gefragt hatte, ob sie Gil erlauben solle, ihre Wohnung zu betreten. Was war, wenn sie sich nur eingebildet hatte, dass Menachem sie ermuntert hatte, Gil einzulassen? Vielleicht war das Busunglück ihre Strafe? Und vielleicht war es Menachem, der sie bestrafte?
    Nein! Menachem hätte so etwas nie getan. Wenn er den Besuch hätte verhindern wollen, hätte er einen Weg gefunden, ihr das mitzuteilen, er hätte ihr keinen Schaden zugefügt.
    Bestimmt hätte er ebenso gehandelt wie sie, auch er wäre beim Anblick dieses Jungen dahingeschmolzen. Hätte Menachem doch neben ihnen gesessen, als Gil die Fotos im Album betrachtet hatte und sie mit ihm über damals gesprochen hatte. Bestimmt hätte Menachem ihm noch mehr erzählt, schließlich wusste er mehr als sie über die Vergangenheit. Gil hatte zwar nicht viele Fragen gestellt, aber seine Augen hatten ihr gesagt, dass er nicht genug von ihren Geschichten bekommen konnte. Oh Gott, vielleicht hätte sie lieber schweigen sollen. Nicht einmal mit Menachem hatte sie über damals gesprochen. Er hatte immer gesagt, es sei besser, alles zu vergessen und es nicht mehr zu erwähnen. Dennoch war sie sicher, dass er, hätte er mit ihnen im Wohnzimmer gesessen und diese unschuldigen blauen Augen gesehen, dem Jungen Dinge erzählt hätte, die er nicht einmal ihr erzählt hatte.
    Plötzlich merkte sie, dass sie die Einkaufstasche noch immer in der Hand hielt. Sie riss sich zusammen, stand auf und hängte die Tasche an die Garderobe. Dann nahm sie das Telefon mit ins Wohnzimmer, um Avri anzurufen. Solche Dinge musste man im Sitzen erledigen. Sie konnte Avri nicht böse sein, weil er ihr nichts von dem Unglück gesagt hatte. Er hatte wahrscheinlich einfach noch nichts Näheres gewusst. Sie war noch nicht mal auf Professor Salzbad böse, er konnte ja nicht ahnen, dass seine Worte sie in Panik versetzen würden. Es gab niemanden, auf den sie böse sein konnte, und sie musste ihren Zorn in alle Winde jagen. Er nützte niemandem, am wenigsten Gil.
    Avri war der Einzige, der jetzt helfen konnte. Nun ja, »helfen« war vielleicht übertrieben, aber wenn sie mit ihm sprach, würde sie sofort wissen, ob er etwas herausbekommen hatte, und sie würde ihm keine Ruhe lassen, bis er alles erzählt hatte.
    Ein schneller Blick auf die Uhr beruhigte sie etwas. Um diese Zeit musste Avri im Büro sein, sie musste nicht mit seinem Taschentelefon reden. Sofort drückte sie die automatische Wähltaste und spürte eine kleine Erleichterung, als könnte das Gespräch mit Avri alle Sorgen vertreiben. Doch dann war das Wählen vorbei und das Besetztzeichen füllte ihr Ohr.
    Sie hätte es wissen müssen. Wie immer war er bis über den Kopf in seine Arbeit versunken. Oder er war noch damit beschäftigt, Gil zu finden. Beim zweiten Versuch kam der gleiche Ton aus dem Hörer, und sie dachte schon, dass vielleicht Jaki wisse, wo Gil sich aufhielt. Aber Jaki war in Deutschland. Sollte sie ihn dort anrufen? Nein! Nie im Leben! Menachem hätte es nicht getan, auch wenn es um Leben oder Tod gegangen wäre. Außerdem hatte sie keine Ahnung, wie man im Ausland anrief, vor allem nicht dort. Sie kannte nicht einmal Jakis Nummer. Sie könnte sie allerdings leicht von Avri bekommen. Aber wenn sie mit Avri gesprochen hätte, gäbe es keine Notwendigkeit mehr, mit Jaki zu sprechen. Was für ein Glück, dass niemand ihre absurden Ideen mitbekam.
    Sie musste mit Avri sprechen. Funktionierte das Telefon vielleicht nicht wegen der Kurzwahl? Sie begann die Büronummer zu wählen, hörte aber nach der Vorwahl auf. Sie war nicht sicher, ob sie die Nummer noch richtig in Erinnerung hatte. Daran war die Kurzwahl schuld. Bevor Avri die Kurzwahltasten einstellte, hatte sie die Nummern im Kopf behalten, aber seitdem hatte sie sie wohl langsam vergessen.
    Aber die Nummern standen ja alle in ihrem Heft. Sie legte das Telefon auf das Sofa und holte das Heft. Als sie sich wieder setzte, das Heft in der Hand, dachte sie, wie gut es doch war, es geholt zu haben, nun konnte sie erst einmal Vicky anrufen, deren Nummer sie nie auswendig gewusst hatte.
    Bestimmt war auch in Vickys Büro viel los. Sollte sie wirklich versuchen, dort einzudringen? Es ging hier ja nicht darum, dass sie Vicky auf die Nerven fallen wollte, sie musste herausfinden, ob sie und Avri etwas von Gil

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