Schalom
hinaus. Das Treppenhaus war leer und dunkel. Schnell nahm sie die Kette ab und ging die Treppe hinunter. Obwohl sie vergessen hatte, das Licht anzumachen, ging sie nicht zurück, sondern stieg vorsichtig im Dunkeln die Stufen hinunter, eine Hand am Geländer, die andere an der Wand. Sie hatte nicht vor, sich wegen des bösen Professors die Knochen zu brechen. Sie wollte weg sein, bevor er wieder auftauchte, vergaß aber auch nicht Zilas Warnungen, die von Menschen erzählt hatte, die sich das Becken brachen, weil sie auf der Treppe nicht vorsichtig genug gewesen waren.
Beim ersten Treppenabsatz machte sie das Licht an, aber das war nicht mehr nötig. Das grelle Licht von draußen überstrahlte völlig das Licht der Lampen. Als sie die Straße erreichte, ging sie so schnell sie konnte. Sie hoffte, dass Gottesmanns Sohn den Laden heute nicht so früh schließen würde. Als der Alte noch den Laden führte, hatte sie die Öffnungszeiten gekannt, aber seit der Sohn die Führung übernommen hatte, wusste sie das nicht mehr. Die Änderungen waren das Einzige, was in diesem Laden als eine Konstante übrig geblieben war. Jede Woche andere Sonderangebote und alle zwei Tage geänderte Öffnungszeiten. Sie brauchte zwar nur ein bisschen Milch für Avris Kaffee, aber sogar Avri hätte von ihr nicht erwartet, dass sie den Professor bat, ihr auszuhelfen. Und außerdem war es nicht sicher, ob dieser Mensch überhaupt Milch kaufte. Es würde zu ihm passen, alles schwarz zu trinken.
Warum hatte Avri sie eigentlich gefragt, ob Gil rauche? Avri fragte sonst nie viel, und bestimmt kein dummes Zeug. Vielleicht hatte man bei dem Betreffenden eine Zigarettenschachtel gefunden. Das wäre eine beruhigende Nachricht. Aber wenn es so wäre, hätte Avri es ihr bestimmt gesagt. Nach dieser Frage hatte er das Gespräch schnell beendet, ohne etwas zu erklären. Also warum hatte er das gefragt? Und warum hatte er Jaki nicht angerufen, wie er es doch versprochen hatte? Warum musste Jaki es von ihr hören, so ganz nebenbei? Jaki hatte so viele Jahre lang nicht mit ihr gesprochen, und gerade jetzt, da er wegen Gil manchmal anrief, musste sie ihn mit solch einer Nachricht erschrecken. Sie wollte für ihn nicht zur Botin des Bösen werden, so wie Salzbad für sie.
Die Sonne ging noch nicht unter, trotzdem brannte im Laden bereits Licht. Schon von Weitem sah sie, dass der junge arabische Angestellte sie schon entdeckt hatte und bereitstand, sie zu begrüßen.
»Guten Abend, Frau Nechama«, sagte er.
Sie nickte als Antwort, und plötzlich wurde ihr klar, dass er sich freute, wenn sie kam, denn er begrüßte sie immer höflich, während sie nicht einmal wusste, wie er hieß. Jetzt konnte sie ihn nicht mehr nach seinem Namen fragen, sie kannte ihn schließlich schon seit Jahren, es würde ihn kränken, wenn er erfuhr, dass sie seinen Namen nicht wusste. In ihrem Alter konnte sie es sich leisten, etwas zu vergessen, aber sie wollte auf keinen Fall als vergessliche Alte dastehen.
Der Araber stellte die Milch vor sie auf die Theke und fragte: »Das ist alles, Frau Nechama?«
Gottesmanns Sohn rief vom Kühlregal mit den Getränken herüber: »Monir, du sollst die Kunden höflich behandeln!«
Der Araber antwortete nicht und sie verteidigte ihn sofort vor dem jungen Gottesmann.
»Herr Gottesmann«, sagte sie laut, »ich wäre froh, wenn alle Verkäufer so höflich wären wie Monir.« Sie freute sich, den Namen aussprechen zu können, den sie gerade gehört hatte. Ab jetzt würde sie das immer tun.
»Ich danke Ihnen, Frau Nechama«, sagte der Araber, ohne dass es klar wurde, ob er damit ihr Lob oder den Einkauf meinte.
An einem anderen Tag hätte sie mit Gottesmanns Sohn oder mit dem netten Araber ein wenig geplaudert, aber jetzt wollte sie vor Avri zu Hause sein. Er hatte zwar einen Schlüssel für die Wohnung, vergaß ihn aber immer. Wartete er jetzt schon im dunklen Treppenhaus auf sie? Es fehlte noch, dass er sich vor der Tür mit dem Professor unterhielt.
22
Als er auf seinem Weg in den Norden über die Jotvata-Kreuzung fuhr, reduzierte er die Geschwindigkeit nicht. Er warf einen schnellen Blick hinüber zum Parkplatz, den er erst vor einer Stunde verlassen hatte, auf seinem Weg nach Hause, dann schaute er wieder auf die Straße. Mit welcher Gleichgültigkeit die Polizistin ihm erklärt hatte, dass man DNA -Proben brauchte! Für sie war das Routine. Diese Proben hatten kein Gesicht.
Avri fröstelte, als er begriff, was er soeben in sein
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