Schalom
beginnenden Falten in den Augenwinkeln und an den Wangen.
Leise sagte er: »Wenn wir fahren, müssen wir den Kindern alles erzählen.«
»Lass das meine Sorge sein«, sagte sie und gab ihm einen Klaps auf die Schulter. Somit war klar, dass die Zeit des Redens vorbei war, sie mussten aktiv werden.
Anna ging zum Telefon und begann zu wählen. Jaki sah ihr zu, bis er sie fragen hörte, wann es einen Flug gab. Dann ging er wieder zum Fenster. Er vertiefte sich in das Grün der Tannen und erinnerte sich plötzlich, wie zärtlich und liebevoll sein Vater damals seine Mutter angesehen hatte, als sie sagte, er solle bei der Arbeit Bescheid sagen, dass er nicht kommen könne, und dann einen Arzt bestellte. Der Vater hatte damals eine Lungenentzündung und wollte trotzdem zur Arbeit gehen, aber als sich die Mutter einmischte, leistete er keinen Widerstand. Avri hatte immer behauptet, der Vater genieße es, wenn die Mutter für ihn Entscheidungen traf.
24
Nechama stellte die Teller auf den Tisch, nahm die Teigtaschen, die sie immer vorrätig hatte, zum Auftauen aus dem Tiefkühlfach. Das Gemüse hatte sie schon gewaschen, aber Avri mochte es nicht, wenn Salat schon vorbereitet war. All ihre Versuche, ihn zu überzeugen, dass Salat nicht so schnell zusammenfiel, waren fehlgeschlagen.
»Vielleicht fällt er nicht zusammen«, sagte er immer, aber er schmeckt nicht mehr frisch.«
Sie konnte tagelang Salat essen, den sie am Anfang der Woche geputzt hatte. Aber Avri musste die Gurke in dem Moment, in dem sie geschält wurde, riechen, ebenso Tomaten, wenn sie aufgeschnitten wurden und frischer Saft austrat.
Lange stand sie am Fenster zur Straße, um ihn ankommen zu sehen, aber der einzige freie Parkplatz auf dieser Seite des Hauses wurde von einem Nachbarn besetzt, und jetzt würde sie vom Fenster aus nicht mehr zuschauen können, wenn er das Auto abstellte.
Wozu musste sie das überhaupt sehen? Sie hatte früher nie am Fenster gestanden und auf seine Ankunft gewartet. Wenn er sagte, er würde kommen, dann kam er, und wenn sich seine Ankunft verzögerte, vergaß er nie, es ihr mitzuteilen. Warum war sie dieses Mal so angespannt? Was für eine Frage! Weil Avri sich doch nach Gil erkundigen wollte. Sie hatte für Avri zwar das Essen vorbereitet, das er mochte, aber genau genommen war es ja nicht Avri, auf den sie wartete, sondern eine Nachricht von Gil. Sie schämte sich dafür, denn sie fand das nicht richtig.
Avri war ihr Sohn, und nicht nur irgendein Sohn, er war der Sohn, der sich schon seit Jahren um sie kümmerte, der nie vergaß, sie anzurufen, und wenn er sich um Gil sorgte, dann vielleicht vor allem, weil er wusste, wie wichtig der Junge für sie geworden war. Avri hatte sein eigenes Leben und fand trotz der Arbeit immer Zeit für sie. Sie wusste nicht genau, was er eigentlich arbeitete, aber er hatte eine Frau und Kinder, um die er sich kümmern musste. Dennoch fertigte er sie nie einfach ab, wenn sie sich an ihn wandte.
Und womit dankte sie ihm seinen Beistand? Mit ein bisschen Verwöhnen, wenn er einmal in der Woche oder in zwei Wochen kam.
Wieder konnte sie nicht unterscheiden, ob das laute Klingeln vom Telefon oder von der Tür kam. Sie stand auf, stellte sich neben das Telefon und wartete, dass es wieder klingelte. Als es ausblieb, machte sie schnell die Tür auf, ohne durch das Guckloch geschaut zu haben, ob es Avri war. Als sie ihn sah, fiel sie ihm um den Hals. Er schreckte leicht zurück, und sie spürte, dass sie ihn mit diesem Beweis der Zuneigung verlegen gemacht hatte. Dann legte er den Arm auf ihre Schulter, bückte sich und küsste sie auf die Wange.
»Was ist los, Mutter, ich bin’s doch nur.«
»Ich weiß«, sagte sie, »ich warte schon seit heute Morgen auf dich.«
»Gut, lass uns hineingehen.«
Erst da bemerkte sie, dass sie im Treppenhaus standen. Schnell zog sie ihn hinter sich her in die Wohnung.
Avri stellte seine Tasche ab. Sie stand in der Küchentür und schaute ihn an. Sie konnte die Frage, die sie quälte, nicht aussprechen, aber sie ging auch nicht in die Küche, um ihm das Essen zu servieren. Er wusste doch, wie sehr sie nach einer Nachricht lechzte. Wollte er eine bittere Nachricht, Gott behüte, hinausschieben?
»Jaki und Anna kommen«, sagte er.
»Ja, schon gut«, sagte sie zerstreut, dann konnte sie sich nicht mehr beherrschen. »Was ist mit Gil?«
Er trat zu ihr und sagte: »Wir haben ihn noch nicht gefunden. Der einzige Freund, der genau wusste, wohin er wollte, ist mit
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