Schalom
Entscheidung erzählt hatte, nach Israel zu kommen.
»Nun, und? Warst du damit einverstanden? Du musst unbedingt zustimmen, Nechamke, das ist deine Chance, hörst du? Wage ja nicht …«
»Möchtest du es hören oder möchtest du mein Leben organisieren?« Sie freute sich, dass ihre eigene Stimme plötzlich so selbstsicher wirkte.
Zila verstummte und Nechama fuhr fort. Sie erzählte von ihrer Weigerung, und Zila stöhnte nur leise, wagte aber nicht, sie zu unterbrechen. Dann schilderte sie ihre erste Begegnung mit Gil, wie er sie begrüßt hatte: »Schalom, ich bin Gil!« Sie konnte sich nicht genau erinnern, was sie bei diesem ersten Treffen zu Gil gesagt hatte, behauptete nun aber, sie hätte geantwortet: »Schalom, Gil, sehr angenehm, ich bin Nechama.« Sie habe plötzlich Menachem vor sich gesehen, sagte sie, jünger und größer als je zuvor. Sogar größer als damals, als sie dort auf dem Boden lag, bedeckt von faulendem Laub.
Während sie das sagte, wurde ihr bewusst, dass sie Zila nie erzählt hatte, wie sie die Schüsse hörte, und die Stille danach, und die Stimme, die sagte: »Hob nischt kejn mojre, ich bin a jid« , die Stimme Menachems.
Auch jetzt hatte sie nicht die Absicht, davon zu erzählen, sie wollte nur erklären, dass Gils Stimme sie sofort daran erinnerte, wie es war, als sie Menachems Stimme zum ersten Mal gehört hatte.
Sie ließ nicht zu, dass Zila sie unterbrach, und erzählte weiter, dass Gil am Schabbat 16 bei ihr geschlafen hatte und dass sie sich geweigert hatte, seinen deutschen Freund zu beherbergen, und wie sich Avri gefreut hatte, dass Gil bei ihr war. Sie vergaß auch nicht zu erzählen, wie der böse Professor, der über ihr wohnte, sie um diesen Enkel beneide, und wie er fast schadenfroh von dem toten Touristen geredet hatte, der nicht identifiziert werden konnte, und wie er, was für ein Zufall, jedes Mal vor ihrer Tür stand, wenn sie ihre Wohnung verlassen wollte.
Am Ende sagte sie: »Verstehst du? Jetzt ist Jaki mit seiner Deutschen gekommen, um nach Gil zu suchen, und er sagt seiner Mutter nicht einmal ›Schalom‹, und der arme Avri kocht sicherlich vor Wut und kann nichts machen.«
»Weißt du was?«, sagte Zila. »Du bist es doch, die ihnen nicht erlauben kann, zu dir in die Wohnung zu kommen, oder?«
»Was heißt da, ich kann nicht? Bist du völlig durchgedreht? Es ist keine Frage von Können oder Nichtkönnen. Kein Deutscher wird dieses Haus je betreten, auch wenn …«
Zila unterbrach sie: »In Ordnung, in Ordnung. Das ist genau das, was ich gesagt habe, oder? Ich will nur darauf hinaus, dass du dort hinfahren kannst!«
»Dort hinfahren? Was heißt das, dort hinfahren? Bist du verrückt geworden? Ich soll einen Fuß auf jene Erde setzen? Das kommt überhaupt nicht infrage!« Sie hatte Zilas Worte nicht begriffen, spürte nur, dass die Schwester etwas ausheckte.
»Nu, Nechamke, wie kommst du jetzt auf jenes Land? Du hast mir selbst erzählt, dass Avri für Jaki und seine Frau ein Zimmer im Altersheim in Tel Aviv organisiert hat.«
Das Altersheim, in dem Gil arbeitet? Wieso war ihr das nicht vorher eingefallen. Sie hätte nicht auf Zila warten müssen, um darauf zu kommen. Bestimmt fuhr Avri jetzt mit Jaki dorthin. Er hatte gesagt, dass Jaki dort schlafen würde. Und wenn es Jaki schwerfiel, ihr »Schalom« zu sagen, zusammen mit der da , dann würde sie eben zu ihm gehen, um ihm »Schalom« zu sagen, trotz der Deutschen. Sie war hier in ihrem eigenen Land, hier konnte sie überall hingehen, und es war ihr gutes Recht, ihren Sohn zu sehen, auch wenn er sich wegen seiner Deutschen schämte. Sie wusste natürlich, dass er sich mit ihr nicht schämte, schließlich hatte er sein Zuhause verlassen, um mit ihr zu leben, aber es schien ihr bequemer, die Dinge so zu sehen.
Plötzlich drang Zilas Stimme in ihre Gedanken. »Nechamke?«
»Ja, ja«, antwortete sie schnell, und begriff, dass Zila schon eine Weile auf ihre Antwort gewartet hatte.
Jaki war ihr Sohn. Sie durfte nicht einfach auf ihn verzichten. Und wenn es nötig war, zu kämpfen, dann …
»Warum kommst du nicht zu mir und wir laden auch Jaki und Avri ein?«, fragte Zila.
Was heckte sie da aus? Oder versuchte sie vielleicht wirklich, ihr zu helfen? Sie war doch die einzige Schwester, die ihr geblieben war. Und Jaki würde sich nicht weigern, Zila zu besuchen, mit oder ohne seine Deutsche. Sie musste ja nicht mit ihr reden. Sie musste sie nicht einmal anschauen. Wenn ihr danach war, konnte sie sie
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