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Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Titel: Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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zu kommen. Gerne hätte er ihr geantwortet, doch so sehr er sich mühte, es war ihm nicht möglich, etwas zu sagen oder auch nur die Lider zu heben.
    Allein mit seinen Gedanken und einer Flut von unerträglichen Schmerzen, die seinen Schädel durchzuckten, lag er da.
    »Es ist allein meine Schuld«, jammerte die weibliche Stimme. »Ich hätte nie …« Schluchzend verstummte sie.
    Kissanka? Leonard rätselte einen Moment, doch dann war er sich sicher. Es musste Kissanka sein, die neben ihm stand.
    »Wenn er stirbt, werden sie meinen Vater zur Hinrichtung führen«, flüsterte sie dumpf.
    »Selbst wenn Leonard ins Leben zurückkehrt, wirst du daran nichts mehr ändern können!«, zischte jemand in verächtlichem Ton. Dem |229| harten Dialekt nach war es Aslan. Der Turkmene sagte nicht oft etwas, doch wenn, hatte es meist einen unfreundlichen Charakter.
    »Wie meinst du das?« Das Mädchen klang erschrocken.
    »So wie ich es sage, du hinterlistiges Luder«, knurrte Aslan.
    »Nur weil du es nicht lassen konntest, den Kosaken schöne Augen zu machen, sitzt Leonard jetzt in der Scheiße. Und als wenn das noch nicht genug gewesen wäre, ziehst du auch noch deinen ewig besoffenen Vater in die Sache hinein. Ich habe Leonard damals gleich gesagt, er solle sich nicht einmischen und dich diesen Hurenböcken überlassen. Dann hätten sie dich in aller Ruhe durchgevögelt, und dein verrückter Vater hätte es kaum gewagt, sich hinterher mit drei Kosaken gleichzeitig anzulegen.«
    Dem Mädchen hatte es offenbar die Sprache verschlagen.
    Aslan schnaubte verärgert. »Gesetzt den Fall, du wärst bei der Wahrheit geblieben.«
    Sie begann zu weinen, und es war wohl Pjotr, der sich um Mäßigung bemühte.
    »Aslan meint es nicht so«, sagte er leise. »Du wirst sehen, Leonard wird wieder gesund.«
    »Ich meine es genauso, wie ich es sagte«, giftete der Turkmene. »Ihr werdet sehen, Leonard wird nicht wieder gesund!« Seine Stimme war lauter geworden. »Er liegt im Koma. Kapiert ihr das nicht? Schädelbruch! Wenn er nicht bald wieder zu sich kommt, ist er am Ende gar schwachsinnig, oder er verhungert, und wenn Allah es gut mit ihm meint, wäre das noch die bessere Lösung.«
    Niemand sagte ein Wort, nur Kissanka schluchzte unentwegt vor sich hin.
    »Ich hoffe, dein Alter verreckt in seiner Arrestzelle«, ergriff Aslan wieder das Wort. »Er hätte es verdient und du und dein Balg dazu!« Der Turkmene dachte nicht daran, endlich Ruhe zu geben.
    »Es reicht jetzt!«, mischte sich Pjotr ein. »Indem du sie fertigmachst, wird es auch nicht besser. Und was soll Leonard von uns denken? Was ist, wenn er uns hören kann?«
    Aslan stieß einen Seufzer aus. »Er ist so gut wie tot, Kamerad. Ein Geist in einer reglosen Hülle. Wenn er uns hören kann, fresse ich einen Besen mit Stiel.«
    |230| Eine Tür öffnete sich mit einem leisen Knarzen. Zwei weitere Personen betraten die Kammer. Sie unterhielten sich kurz, und wieder glaubte Leonard, dass eine Frau dabei sein musste. Außerdem waren schwere Schritte zu hören, wie von beschlagenen Stiefelsohlen.
    »Meine Herrn, meine Dame«, sagte eine Stimme ungewohnt höflich und doch in einem Befehlston. Es war Doktor Primanov. »Die Besuchszeit ist zu Ende. Wir müssen Verbände und Windeln wechseln. Außerdem ist es bereits dunkel und an der Zeit, in ihre Baracken zurückzukehren.«
    Windeln? Allein die Vorstellung vermittelte Leonard ein Gefühl des Grauens. Ohne Frage musste es ihn schlimm erwischt haben. Er konnte sich jedoch nur bruchstückhaft erinnern, was tatsächlich mit ihm geschehen war.
    »Was wird aus ihm, Herr Doktor, wenn er nicht wieder zu sich kommt?«, fragte Pjotr zaghaft.
    »Wenn er nicht zu sich kommt«, erklärte Primanov tonlos, »wird er binnen der nächsten zwei Wochen sterben. Vielleicht sogar früher, falls es uns nicht gelingt, seinen Körper ausreichend mit Flüssigkeit zu versorgen.«
    »Aber, mein Herr, Sie müssen doch irgendwas tun können!« In Kissankas Stimme war Verzweiflung zu hören.
    »Vielleicht ist es besser, wenn er stirbt«, mutmaßte Primanov kühl. »Sollte er je wieder zu sich kommen, ist er ohnehin zu nichts mehr zu gebrauchen.«
    »Aber Sie könnten ihn doch operieren?« Kissanka wollte die Hoffnung nicht aufgeben.
    »Und bei welchem Körperteil, meine Liebe, sollte ich beginnen? Am Kopf, am Rücken, an den Armen oder Beinen?« Der Arzt räusperte sich. »Abgesehen davon, dass ich noch nicht einmal die Möglichkeit habe, in diesem Lager überhaupt zu

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