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Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska

Titel: Schamanenfeuer: Das Geheimnis von Tunguska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina André
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eingetroffen.
    »Machen Sie mir eine Infusion fertig!«, keuchte Parlowa, die dem Fünfzigjährigen eine solche Assistenz offenbar zutraute.
    »Auf den Rücken!«, rief sie dann mit dumpfer Stimme, nachdem sie den Pfeil, der in der Kehle steckte, vorsichtig entfernt hatte. »Luftröhrenschnitt, Herzmassage.« Den starren Blick auf das Gesicht des Mannes gerichtet, hielt sie ihre Hand offen zu den Soldaten hin. Einer von ihnen reichte ihr ein Skalpell. Ein rascher Schnitt und ein passend eingesetztes Röhrchen mussten die Atmung des Mannes ersetzen. Doch sein Herz stand schon eine Weile still, und Doktor Parlowa mühte sich vergeblich, es wieder in Gang zu bringen.
    Der Kommandeur, der immer noch die Infusion in Händen hielt, sah sich suchend um. »Männer!«, brüllte er einem Haufen von gaffenden Kerlen zu, die allesamt olivgrüne Uniformen trugen. Auf ihren Brusttaschen hatten sie das GazCom-Emblem – eine dreizüngige Flamme über einem stilisierten G. Bis an die Zähne mit Pistolen und MPs bewaffnet standen sie planlos herum.
    »Was gafft ihr so, ihr Idioten!«, schrie er mit hochrotem Kopf. »Ausschwärmen! Sucht das Gelände ab! Der Täter kann nicht weit sein!«
    »Es war eine Selbstschusswaffe alter Bauart, Chef«, bemerkte einer der Soldaten zaghaft. Er hatte den Toten, dessen Wiederbelebung man inzwischen aufgegeben hatte, unter den Sträuchern gefunden. »Eine tungusische Spezialität, so uralt wie die einheimischen Stämme selbst. Ein Holzbogen, gespannt mit einer Sehne und einer Rosshaarschnur, |135| die den Bolzen löst, wenn man versehentlich hineintritt. Normalerweise wird sie zur Jagd von Elchen und Bären genutzt.«
    »Die Jagdsaison hat noch nicht angefangen«, gab der Kommandeur ungeduldig zurück.
    »Was ist mit Viktoria?«, rief Theisen dazwischen. Da der Soldat nicht mehr zu retten war, galt es nun, ihr zu helfen.
    »Viktoria?« Doktor Parlowa schaute verwirrt auf. Da erst registrierte sie, dass die Deutsche auf der Veranda vor dem Waschhaus lag. Theisen hatte sie in eine stabile Seitenlage gebracht.
    »Seit wann liegt sie dort?« Parlowa sah ihn fragend an.
    »Keine Ahnung. Ich habe sie hier gefunden, nachdem dieser Wolf mich beinahe angegriffen hätte.«
    »Wolf?« Der Kommandeur schaute ihn prüfend an, dann fiel sein Blick auf Viktoria. Doktor Parlowa war bereits bei ihr und tastete nach Puls und Herzschlag.
    »Sie ist komatös«, befand sie nüchtern.
    »Sie kann unmöglich von alleine hierher gekommen sein«, bemerkte Bashtiri. »Außerdem trägt sie fremde Kleidung.«
    »Durchkämmt den Wald!«, brüllte der Kommandeur seinen Männern noch einmal zu. »Jeden Zentimeter im Umkreis von fünf Kilometern. Ich will wissen, wer diese Frau hierher gebracht hat und warum einer meiner besten Männer sterben musste. Aber seht euch vor! Wer weiß, was dieses Ewenkenpack sonst noch auf Lager hat!«
    »Viktoria muss sofort in die örtliche Krankenstation nach Vanavara!« Die russische Ärztin hatte sie nur kurz untersuchen müssen, um zu entscheiden, dass die kritische Verfassung der jungen Frau dringend nach einer Infusion verlangte.
    »Ich lasse sie mit dem Helikopter nach Krasnojarsk fliegen«, erklärte Bashtiri.
    Doktor Parlowa schüttelte den Kopf. »Krasnojarsk wäre in ihrem Zustand zu weit. Sie benötigt sofortige Hilfe.«
     
    Leonids Herz hämmerte wie früher, als er sich im Krieg und auf der Flucht befunden hatte. Das Verhalten der Söldner machte ihn zornig. Beinahe hätte Ajaci dran glauben müssen. Ohnmächtig hatte er mit ansehen müssen, wie die Idioten auf den Hund geschossen hatten. |136| Dabei hatte eine der Kugeln ihn selbst nur knapp verfehlt. Doch dann war plötzlich Ruhe eingekehrt, nur noch ein Röcheln hatte den Wald durchdrungen.
    Wenn ihn nicht alles täuschte, hatte eine von Taichins Jagdfallen dem unseligen Treiben ein Ende gesetzt. Leonid hatte nicht sehen können, wer von dem Pfeil getroffen worden und wie schlimm die Verletzung war. Eigentlich galt ein landesweites Verbot, solche Waffen ohne Genehmigung aufzustellen. Doch Taichin war mehr als achtzig Jahre alt, flink wie ein Wiesel und hielt sich nicht an die russischen Gesetze. Tief in seinem Herzen verabscheute er die Zivilisation – oder das, was sich die modernen Ewenken darunter vorstellten.
    Leonid stieß einen Pfiff aus, der jenseits des menschlichen Hörvermögens lag, und Ajaci erschien schwanzwedelnd an seiner Seite.
    »Komm, Junge«, flüsterte er dem Hund ins gespitzte Ohr, »lass uns

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