Schampanninger
inneren Bieruhr die dazugehörige Zahl abzulesen.
Mitleid heischend fügte ich an, dass mir allerdings die Medikamente, die ich einzunehmen hätte, zu schaffen machten. Dass schon wieder ein weiteres geschmackvoll gestaltetes Fläschchen vor mir stand, verschwieg ich: Pummelige, trotz Saukälte fast nackige Engelein entrollen ein goldenes Spruchband über einer verschneiten, von innen her puddinggelb leuchtenden Alpenkapelle, auf dem In dulci jubilo! geschrieben steht. Auf der Rückseite das herzinnige Brixentaler Volkslied Es wird scho glei dumpa . Ich verabschiedete mich von Emma mit gebotenem Restanstand und verbliebener Würde, dann wurde es auch bei mir recht bald ziemlich dumpa , sieben Stunden Schlaf am Stück, wie umgenietet.
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Erst Kaffee, dann Plan. Wenn in deinem dummen Schädel Worte wie Luftballons nach oben entweichen und in den Himmel entfleuchen, du noch nicht mal Anstalten machen kannst, sie festzuhalten oder gar nachzusprechen, dann liegt eine Fehlfunktion vor, die man Kater nennt. Meine Zweifel am Buddhismus gründen auf dieser Morning-after -Erfahrung. Da oben ist nichts, aber schon gar nichts. Nur schön ist dasnicht, wenn sich der Mensch gar nicht mehr kennt. Das Kopfweh kann man beiseitelassen, das gilt im Buddhismus nicht, weil man nicht mit Alkohol arbeiten darf. Aber auch der nichtige Rest ist nicht angenehm. Man sollte nie morgens an seiner Erleuchtung arbeiten, besser abends, wenn man etwas geleistet hat. Erst Kaffee, dann Plan, also Viererkännchen Espresso einpfeifen, und schon huschte das erste Guten Morgen durch meinen Kopf.
Der zweite gute Morgen kam von Babsi. Vollkommen stumpfsinnig hatte ich den Hörer abgenommen, ohne zu gucken, wer da anrief.
– Und, fragte sie, hast du Bines Zeichnung gesehen?
Im Zustand eines brutalisierten Katers gelingen mir oft überraschende Dinge. Außerdem verfüge ich dann über eine Stimme wie ein Klabautermann.
– Hör zu, Babsi, du nervst. Morgen oder übermorgen hast du das Teil. Bis dahin ist Ruhe. Alles klar?
Mein Gott, das habe sie ja nicht gewusst, dass das so eine Belastung sei, ihr sei es ja nur ums Kind zu tun undsoweiter undsofort. So wäre das noch Stunden weitergegangen, aber ohne mich, ich hatte längst aufgelegt.
Aus sich herausgehen zu können putzt das Hirn durch. Schlagartig ist man wieder im Geschäft und mit beiden Beinen im Leben. Ich sammelte mich und hielt mir vor Augen, was heute zu erledigen war. Zunächst einmal rief ich im Weißbräu an und verlangte Susi. Ich wollte hören, ob sie schon etwas erreicht hatte. Nach einigem Hin und Her, bei dem der Hörer ein paar Stationen weiter wanderte, hieß es dann, sie sei krank und voraussichtlich nächste Woche wieder zurück. Demnach hatte sie noch nichts unternehmen können.
Ich gab mir einen Ruck. Die Vorhaben, die ich entwickelte, waren ebenso schlicht wie zweckmäßig und hatten den Charme einer Direttissima: Bis in den Abend hinein verkaufen wie der Vogeljakob auf der Dult, anschließend in den Weißbräu und selbst Bernis Büro filzen. Kurz vor der Sperrstunde würde ich das Lokal besuchen und mich anschließend einsperren lassen. Ich hatte nur dafür zu sorgen, dass ein unvergittertes Fenster offen stand, durch das ich wieder hinausschlüpfen konnte.
Erst einmal begann das Tagwerk. Die ersten Verkaufsgespräche verliefen noch etwas holprig. Dann fand ich immer mehr zu meiner Normalform und gab schließlich mein Bestes, als es drei lilahaarige Pelzömchen aus ihrer rundumversorgten Altersresidenz Glockenherbst über die Kapuzinerstraße in meinen Laden spülte. Meine Herrnhuter Sterne ließen sie ebenso kalt wie der formgeblasene Lauschaer Baumschmuck. Nicht einmal meine Eisglasamseln und das Handgeschnitzte aus Oberbayern rührten sie.
– Wissen Sie, sagte die eine, ich komme aus Gablonz.
Volltreffer! Ich wuchtete meine Kiste mit dem Gablonzer Sortiment hoch. Diese Christbaumausstattung sei antik und gewiss noch von deutscher Hand gefertigt, und wenn also die Großmutter der Verehrtesten im väterlichen Betrieb mitgearbeitet habe, dann sei es ziemlich wahrscheinlich, dass sich etwas von ihr in dieser Kiste befinde. Sie möge alles in Ruhe durchsehen, ich sei gleich wieder da. Ich lief in die Küche hinaus, schaute mich im Spiegel an und sagte dreimal: Walnuss . Diese Technik stammt aus der Trickkiste des Managements. Das Wort entkrampft spontan die angespannte Muskulatur, lässt die hechelnde Gier aus den Gesichtszügen verschwinden und modelliert ein fotogenes,
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