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Schande

Schande

Titel: Schande Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. M. Coetzee
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leer.
       
     
      Kein gewöhnlicher Einbruch. Ein Plünderungskommando ist eingedrungen, hat das Haus leergeräumt, hat – beladen mit Säcken, Kisten und Koffern – den Rückzug angetreten. Beute; Kriegsreparationen; wieder eine Aktion in der großen Umverteilungskampagne. Wer trägt wohl jetzt seine Schuhe? Haben Beethoven und Janáček ein Zuhause gefunden, oder hat man sie auf den Müll geworfen?
      Aus dem Bad kommt ein übler Gestank. Eine Taube, im Haus gefangen, hat im Waschbecken ihr Ende gefunden. Mit spitzen Fingern hebt er das Durcheinander von Knochen und Federn in einen Plastiksack und verschließt ihn.
      Der Strom ist abgestellt, das Telefon tot. Wenn er nicht etwas unternimmt, wird er die Nacht im Dunkeln verbringen. Aber er ist zu deprimiert, um zu handeln. Soll doch alles zur Hölle fahren, denkt er und sinkt auf einen Stuhl und schließt die Augen.
      Als die Dämmerung hereinbricht, rafft er sich auf und verläßt das Haus. Die ersten Sterne sind zu sehen. Durch leere Straßen, durch Gärten, die intensiv nach Zitronenstrauch und Jonquille duften, geht er zum Universitätscampus hinüber.
      Er besitzt immer noch die Schlüssel zu seinem Fachbereich, den Kommunikationswissenschaften. Eine gute Stunde, um zu spuken: die Korridore sind leer. Er fährt mit dem Lift zu seinem Zimmer im fünften Stock hoch.
      Das Namensschild an seiner Tür ist entfernt worden. Das neue Schild lautet: DR S. OTTO. Unter der Tür dringt ein schwacher Lichtschein hervor.
      Er klopft. Kein Laut. Er schließt die Tür auf und tritt ein.
       
     
      Man hat den Raum umgestaltet. Seine Bücher und Bilder sind fort, die Wände sind nun leer bis auf ein Comic-Poster: Superman mit hängendem Kopf, während ihn Lois Lane auszankt.
      Hinter dem Computer sitzt in dem trüben Licht ein junger Mann, den er noch nie gesehen hat. Der junge Mann runzelt die Stirn. »Wer sind Sie?« fragt er.
      »Ich bin David Lurie.«
      »Ja? Und?«
      »Ich wollte meine Post abholen. Das war einmal mein Zimmer.« Früher, fugt er beinahe hinzu.
      »Ach, richtig, David Lurie. Entschuldigen Sie, ich hab nicht geschaltet. Ich habe alles in einen Karton getan. Und noch andere von Ihren Sachen, die ich gefunden habe.« Er deutet mit der Hand. »Dort drüben.«
      »Und meine Bücher?«
      »Die sind alle unten im Lager.«
      Er nimmt den Karton. »Danke«, sagt er.
      »Kein Problem«, sagt der junge Dr. Otto. »Schaffen Sie es?«
      Er trägt den schweren Karton zur Bibliothek hinüber und will dort seine Post durchsehen. Aber als er an der Schranke ankommt, akzeptiert die Maschine seine Karte nicht mehr. Er muß also seine Post auf einer Bank im Foyer durchsehen.
       
     
      Er ist zu unruhig zum Schlafen. Im Morgengrauen fährt er in die Berge und begibt sich auf einen langen Spaziergang.
      Es hat geregnet, die Bäche führen viel Wasser. Er atmet den berauschenden Duft der Pinien. Ab sofort ist er ein freier Mann, Pflichten hat er nur sich selbst gegenüber, keinem sonst. Die Zeit liegt vor ihm, und er kann mit ihr machen, was er will. Das Gefühl ist verunsichernd, aber vermutlich wird er sich daran gewöhnen.
      Seine Zeit bei Lucy hat ihn nicht zum Landmenschen gemacht. Trotzdem gibt es Dinge, die er vermißt – die Entenfamilie zum Beispiel: Mutter Ente, die auf dem Wasserreservoir ihren Kurs steuert, die Brust stolzgeschwellt, während Eenie, Meenie, Minie und Mo geschäftig hinterherpaddeln, voller Zuversicht, daß sie vor allem Übel geschützt sind, solange sie da ist.
      Und was die Hunde angeht, so möchte er nicht an sie denken. Ab Montag wird man die in den Räumen der Tierklinik vom Leben erlösten Hunde anonym, unbeweint ins Feuer werfen. Wird ihm dieser Verrat je vergeben werden?
      Er geht zur Bank, schafft einen Stapel Wäsche in den Waschsalon. In dem kleinen Laden, wo er viele Jahre lang seinen Kaffee gekauft hat, tut der Verkäufer so, als erkenne er ihn nicht wieder. Seine Nachbarin, die ihren Garten sprengt, dreht ihm absichtlich den Rücken zu.
      Er denkt an William Wordsworth bei seinem ersten Aufenthalt in London, wie er die Pantomime besucht und Jack den Riesentöter über die Bühne stolzieren sieht, mit seinem Schwert herumfuchtelnd, geschützt durch das Wort Unsichtbar auf seiner Brust.
      Am Abend ruft er Lucy von einer Telefonzelle aus an.
      »Ich dachte, ich sollte anrufen, falls du dir Sorgen um mich machst«, sagt er. »Es geht mir gut. Ich werde vermutlich eine Weile

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