Schandtat
malträtiert. Der Angreifer ist noch unbekannt.«
Ich lächelte. »Mir tut immer noch die Hand weh.«
Er nickte. »Dachte mir schon, dass du es warst.«
Ich sah ihn schräg von der Seite an. »Also ist sie jetzt hinter mir her?«
»Nein. Sie schweigt sich aus.«
»Und wo liegt dann das Problem?«
»Colby Morris.«
»Was hat Colby Morris damit zu tun?«
»Anna will nicht verraten, wer es war. Also glaubt Colby wohl, es sei Velveeta gewesen, wegen des Briefs. Der Goldjunge ist auf der Jagd nach dem Käsemann.«
Mir wurde flau im Magen. »Verdammte Kacke! Vel war gestern noch nicht mal in der Schule.«
»Und Kacke ist genau das, was demnächst ordentlich am Dampfen ist. Meine männliche Intuition sagt mir, dass es wahrscheinlich noch vor der nächsten Stunde passieren wird. ›Aktuelles Zeitgeschehen‹, wie passend. Wenn nicht, dann nach der Schule oder ein andermal. Hab ich dir eigentlich schon erzählt, dass ich nahezu hellseherische Fähigkeiten besitze?«
»Aber er hat es nicht getan.«
»Auf ihn wartet ein Blutbad.«
Während der ganzen zweiten Stunde war ich total zappelig und überlegte, was ich tun sollte. Fünf Minuten vor Ende der Stunde bat ich darum, zur Toilette gehen zu dürfen, lief zu Mr Halvorsons Klassenzimmer und wartete im Flur vor
der Tür. Ich musste Velveeta abfangen, bevor Colby ihn erwischen konnte, aber da ich nicht wusste, welchen Kurs Velveeta vor dem Kurs bei Halvorson hatte, blieb mir nichts anderes übrig als abzuwarten.
Nach dem Klingeln war es aus mit der Totenstille und der Leere in den Korridoren, alles schrie und rempelte sich an. Dann sah ich Vel am Ende des Flurs um die Ecke biegen, den Kopf gesenkt, die Schultern hochgezogen und den Blick auf die Füße gerichtet - seine übliche Art sich fortzubewegen.
Als Velveeta an den Toiletten vorbeiging, schossen plötzlich ein paar Hände hervor, packten seine Oberarme und rissen ihn ins Jungenklo, für den Bruchteil einer Sekunde waren zwei Benders High Schulteamjacken zu erkennen. Ich zuckte zusammen, hätte fast losgekreischt, hielt jedoch den Mund und rannte so schnell ich konnte den Flur entlang.
Als ich mich der Klotür näherte, stand neben dem Trinkbrunnen ein Football-Spieler, irgend so ein Typ, den ich schon öfter gesehen hatte. Er versperrte mir den Weg, als ich hineingehen wollte, und lächelte auf mich herab. »Die Damentoilette ist am anderen Ende.«
»Geh mir aus dem Weg.«
Sein Lächeln verschwand. Er rührte sich nicht, schüttelte nur den Kopf.
Er rechnete nicht damit, und als mein Knie pfeilschnell nach oben zuckte und ihn mitten in die Eier traf, klappte er einfach zusammen wie eine Papierpuppe. Ich stürzte durch die Tür und blieb abrupt mit großen Augen stehen. Mir gegenüber standen mindestens fünfzehn Typen, die meisten davon in Schulteamjacken. Mit dieser Wand von Leibern
vor mir konnte ich zwar nichts sehen, aber ich konnte alles hören. Ich hörte Colby Morris fluchen, ich hörte das dumpfe Krachen der Schläge, und ich hörte Velveeta.
Sofort zwängte ich mich durch die grinsende und lachende Menge, und dann sah ich es auch schon. Velveeta lag, zusammengerollt in Fötushaltung, unter dem hintersten Waschbecken und schützte mit den Armen seinen Kopf, während Colby Morris sich am Porzellanrand abstützte und erbarmungslos auf ihn eintrat. Wieder und wieder und wieder, so schnell und grausam, dass sein Bein an einen Motorkolben erinnerte. Blut spritzte auf die gekachelten Wände und den Boden, und Velveeta ächzte und stöhnte bei jedem Tritt.
Ich rannte auf sie zu und schrie, dass er es nicht gewesen sei, doch dann wurde ich von zwei Typen gepackt, und einer hielt mir mit seiner Hand den Mund zu. Ich trat wild um mich, wehrte mich aus Leibeskräften, aber sie drückten mich so kräftig gegen eine Wand, dass ich mich nicht mehr bewegen konnte. Colby trat immer weiter auf Velveeta ein, und jeder Treffer verursachte ein ekelerregendes Geräusch. Als er sich umdrehte, hinterließ er blutige Fußabdrücke auf den Fliesen, und seine Brust hob und senkte sich heftig, während er mich anstarrte. Da war kein Grinsen in seinem Gesicht, kein Lachen, nichts außer einem Zornesschlitz anstelle eines Mundes und dazu ein umnebelter, beinahe tranceartiger Ausdruck in den Augen.
Es herrschte absolute Stille auf dem Jungenklo. Mein Blick wanderte zu Velveeta, doch er rührte sich nicht. Tränen strömten mir übers Gesicht, ich riss mich los und starrte Colby an. »Er hat es nicht getan! Ich war es! Ich
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