Schandtat
hab sie geschlagen!«
Verächtlich sah er Velveeta an, dann wieder mich. »Scheißegal! Vielleicht wird dir das eine Lehre sein, Miststück.« Er musterte seine Kumpane. Einige wandten den Blick ab, andere starrten Velveeta an, wieder andere lachten. Colby rempelte sich durch die Menge, und als er an mir vorbeikam, stieß er mich rückwärts an die Wand und drängte mich dagegen. »Ein Wort von dir, und ich bring ihn um.«
Ich verzog das Gesicht. »Du Arschlo …«
Blitzartig schoss seine Hand vor und knallte auf meine Wange, seine Finger brannten auf meinem Ohr. »Halt’s Maul!« Dann stampfte er durch die Tür.
Mittlerweile verließen auch die anderen Jungen den Raum, verschwanden einfach, und nicht einer von diesen Typen, kein einziger, konnte mir in die Augen sehen. Im nächsten Moment war der Raum leer. Das Ganze hatte keine drei Minuten gedauert. Velveeta lag reglos da.
Ich fiel neben ihm auf die Knie, berührte ihn vorsichtig an der Schulter und rief seinen Namen, versuchte, die Fassung zu behalten, vergeblich. Hemmungslos schluchzte ich drauflos. Velveeta stöhnte und öffnete das eine Auge, das sich noch öffnen ließ - über dem anderen hatte er eine tiefe Platzwunde, aus der das Blut pulsierte. Seine Nase war geschwollen und blutete ebenfalls, seine Lippen waren an mehreren Stellen aufgeplatzt. Er sagte nichts.
Ich richtete mich auf und schnappte mir einen Schwung Papiertücher, die ich unter kaltes Wasser hielt und sachte auf Vels Auge drückte. Benommen zuckte er zusammen, und ich sagte ihm, alles sei wieder okay. Aber gar nichts war okay. Das Ganze war so dermaßen daneben, dass ich überhaupt nicht wusste, wie ich damit umgehen sollte. Das alles
war meine Schuld. Hundert Prozent meine Schuld. Und Colby Morris war ein Psychopath. Dann ging die Tür auf.
Mr Halvorson kam herein, erfasste die Lage und befahl mir, ihn nicht zu bewegen, dann rannte er hinaus. Zwei Minuten später stürzte er wieder herein, sagte mir, Hilfe sei auf dem Weg, und kniete sich neben uns. Er nahm sich noch ein paar Papiertücher und schob mich beiseite. »Wer hat das getan?«
Ich sackte gegen die Wand. »Sie wissen doch ganz genau, wer das war. Jeder in der Schule weiß, wer das getan hat.«
»Sagen Sie es mir.«
»Colby Morris und die halbe Fußballmannschaft.«
Velveeta stöhnte und starrte mich mit seinem unversehrten Auge eindringlich an, ließ mich wissen, dass er Colbys Worte gehört hatte. In diesem Blick lag eine Warnung. »Bin hingefallen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Das war Colby Morris. Ich hab’s gesehen, und mindestens fünfzehn andere Typen haben es auch gesehen.«
ACHTZEHN
Vier Stunden später wurde Velveeta mit neun Stichen über seinem Auge, einer gebrochenen Nase, einem abgeschlagenen Zahn und zwei geprellten Rippen aus der Notaufnahme entlassen. Ich war die ganze Zeit bei ihm geblieben. Der arme Kerl sah aus, als wäre er in einen Mixer geraten.
Zwei Cops waren angerückt, um die Vorkommnisse zu protokollieren, aber Velveeta wollte weder sagen, wer es getan hatte, noch Anzeige erstatten. Ich hatte ihnen zwar erzählt, wer dafür verantwortlich war, aber sie meinten, sie könnten nichts unternehmen, solange das Opfer keine Anzeige erstatte. Und Vel wollte das partout nicht. Seine Tante versuchte, ihn umzustimmen, aber ohne Erfolg. Mein Dad kam und versuchte es ebenfalls, aber nichts funktionierte, und schließlich unterhielt Dad sich draußen im Flur mit den Cops.
Als wir nach Hause fuhren, berichtete er, dass man möglicherweise doch Anklage erheben könne, falls der Bezirksstaatsanwalt es für lohnend erachte. Wir würden es schon schnell genug erfahren. Ich schüttelte den Kopf. »Er wird doch der Schule verwiesen, oder?«
Dad seufzte. »Ich weiß es nicht. Aber ich bin überzeugt, dass die Schule Nachforschungen anstellen wird.«
»Sie könnten damit anfangen, die Football-Mannschaft zu befragen.«
»Ich weiß, Poe, ich weiß.« Er sah mich an, als wir in die Einfahrt bogen. »Du hast ihm möglicherweise das Leben gerettet.«
»Er hat gedacht, Velveeta sei derjenige gewesen, der Anna geschlagen hat. Wegen des Briefs.«
Schweigen.
»Es ist alles meine Schuld.«
»Da gab es ein Missverständnis, klar, aber das, was passiert ist, ist auf keinen Fall deine Schuld. Colby Morris ist dafür verantwortlich.«
Ich konnte nicht anders - Tränen stiegen mir in die Augen. »Nein, es ist meine Schuld. Nichts von alldem wäre passiert, wenn ich es nicht drauf angelegt
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