Scharade
seiner Wohnung aufgebrochen, aber bereits jetzt sehnte sie sich nach ihm.
Diese Schwäche machte sie wütend auf sich selbst. Er schien jedenfalls keine Anzeichen von Sehnsucht zu zeigen. Hier hockte sie, traurig und wütend, während er im Flugzeug nach sonstwo saÃ.
Doch dann überwog die Wut. Was hatte ihn denn so dringend aus der Stadt getrieben? Geschäft oder Vergnügen? Was war denn so verdammt wichtig, daà er sich davongemacht hatte, ohne sich die Zeit zu nehmen, sich von ihr zu verabschieden?
Kapitel 27
Alex mochte New York nicht besonders, aber die Stadt faszinierte ihn. Es war eine Metropole der Superlative, die Verzweiflung verkörperte, Not, Elend, Dreck und Reichtum, Glanz und Glamour. Seine Reaktion darauf war stets extrem. Er sah Dinge innerhalb ein und desselben Häuserblocks, die ihn entweder begeisterten oder anwiderten.
Er traf sich mit seinem Agenten zum Essen in einem kleinnen Restaurant auf der West Side. Damals, als er Arnold Villella kennenlernte, hatte sich Alex bei seinem dritten Besuch im Big Apple über die übertrieben teuren Speisekarten im Hotel Vier Jahreszeiten oder La Cirque mokiert.
»Wenn ich den Namen nicht aussprechen kann oder nicht weiÃ, wo es herkommt, esse ich es auch nicht«, hatte er seinem Agenten gesagt. Daraufhin hatte Villella ihn einen Banausen genannt, doch fortan durfte Alex bestimmen, wo sie sich zum Essen trafen.
Gelegentlich, wenn es etwas zu feiern gab, erlaubte Alex, daà Villella ihn auf einen späten Hamburger im Club 21 einlud. Aber Oswaldâs Cafe, von einem robusten Einwanderer aus Ungarn persönlich geführt, war zu einem seiner Lieblingsrestaurants geworden. Dort gab es köstliche Roastbeefsandwiches, mit einem dunklen Senf serviert, der einem die Tränen in die Augen trieb.
Heute abend verschlang Alex sein Sandwich, während Villella mit einer Schale Gulasch klapperte.
»Du scheinst ja Hunger gehabt zu haben«, bemerkte der Agent. »Hast du im Flieger nichts gekriegt?«
»Schätze schon. Kann mich aber nicht mehr erinnern.«
Er erinnerte sich nur wenig an seinen kurzen Flug von San Antonio nach Dallas-Fort Worth, der kurzen Zwischenlandung, dem Nonstopflug zum La Guardia, der Taxifahrt nach Manhattan oder an sonstwas seit gestern abend.
HeiÃer, saftiger, lauter, zärtlicher, wilder, sanfter, wahnsinniger, langsamer Sex war ihm durch den Kopf gegangen.
Er schob seinen Teller zur Seite und bestellte Kaffee, als die Kellnerin kam und abräumte. Er hatte die Tasse bereits halb leer getrunken, als er bemerkte, daà er und sein Agent schon seit mehr als fünf Minuten kein einziges Wort miteinander gewechselt hatten.
Villella hatte sich in Geduld und Schweigen geübt. Wenn es darum ging, widerstrebende Verleger zu überzeugen, besaà er die Instinkte eines Hais. Doch gegenüber den Autoren, die er vertrat, war er ein fürsorglicher, strenger und väterlicher Vertrauter, der seine Rolle völlig an den Wünschen seines Klienten orientierte.
Arnold Villella hatte sich bereit erklärt, Alex zu vertreten, noch ehe der auch nur eine einzige Zeile veröffentlicht hatte. Die meisten Agenten, die Alex angeschrieben hatte, hatten sein erstes Manuskript ungelesen zurückgeschickt, weil es ihre Geschäftspolitik war, keinen unveröffentlichten Autor zu betreuen. Die Zwickmühle des Verlagsgeschäfts: Ohne Agenten findest du keinen Verlag, aber du bekommst keinen Agenten, wenn du noch nichts veröffentlicht hast.
Villella jedoch hatte ihn an einem Freitagmorgen während eines Unwetters in Houston angerufen. Alex war schlimm verkatert gewesen, und Villella hatte sich mehrmals wiederholen müssen, ehe Alex ihn über das krachende Donnern vor seinem Fenster und das Dröhnen in seinem Schädel hinweg verstand.
»Ich finde Ihre Art zu schreiben vielversprechend. Sie haben einen rauhen, aber einzigartigen Stil. Ich würde Sie gern vertreten, wenn Sie interessiert sind.«
Ohne Zeit zu verlieren, flog Alex nach New York, um den einzigen Menschen auf Erden kennenzulernen, der an seine Begabung glaubte. Villella war direkt und fordernd. Er war offen und ehrlich. Aber nicht unfreundlich.
Als er entdeckte, daà Alex ein Alkoholproblem hatte, sagte er lediglich, daà er schon mit etlichen talentierten Autoren zu tun gehabt habe, von denen einige Alkoholiker waren. »Auch wenn das Trinken ihre Phantasie beflügelt haben mag, so hat
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