Scharf und zuegellos - Heisse Stories
so hübschen jungen Frau zu plaudern. Oh, es ist die Macht, die ich so sehr liebe, diese Macht, die ich über Männer wie dich habe. Und du weißt ganz genau, dass dieses kleine Spiel nach meinen Regeln gespielt wird, ganz gleich, wie sehr du glaubst, es in der Hand zu haben. Ich besitze genügend Selbstbewusstsein, um dich zu hypnotisieren.
Fünf Minuten später sitzen wir an einem der Tische. Du hast mir etwas zu trinken bestellt, und wir haben über das neue Rathaus gesprochen. Auf den Fernsehmonitoren läuft ein Video von Ali G. Darüber redest du nicht. Diese Jugendkultur des modernen Lebens liegt
dir nicht. Ich möchte, dass du dich entspannst oder sogar einmal lachst. Du stellst mir Fragen über meine Ausbildung, und natürlich lüge ich. Ich sage, ich sei auf der UCL gewesen und hätte Medizingeschichte studiert. Ich erfinde Geschichten von Leichen und Formaldehyd, bis dir ganz schwindlig ist, du dich aber in meinen Händen sicher fühlst. In ärztlichen Händen.
Und nachdem du Vertrauen zu mir gefasst hast, ziehe ich aus meiner Tasche George Batailles Geschichte des Auges. Du hast noch nie davon gehört. Ich verziehe das Gesicht, und du kommst dir dumm und langweilig vor. Ein Mann von gestern. Ich rede über Surrealismus. Du sagst, du hattest nie die Zeit, dich wirklich damit zu beschäftigen, aber du kennst die großen Künstler. Du ratterst ein paar Namen herunter, aber es sind nur die üblichen, mit denen die Leute zu erkennen geben, dass sie eigentlich keine Ahnung haben: Dalí, Magritte. Ja, ja. Ich erwähne Man Ray. Er war Fotograf, das zumindest weißt du. Du hast eine kleine Atempause und wirst unaufmerksam, bis ich von Catherine Deneuve in Belle de Jour spreche. Das sagt dir was. Du hast den Film Ende der siebziger Jahre als Student gesehen und warst verwirrt. Französische Damen in Citroëns treffen sich mit japanischen Geschäftsleuten in Hotelzimmern, obwohl sie noch nicht einmal das Geld brauchen. Insekten summen in Glasdosen. Worum ging es da überhaupt?
Ganz kurz rücke ich näher an dich heran, bevor ich aufstehe und zur Toilette gehe. Dieses Mal blickst
du mir länger in die Augen. Du bist hingerissen, nicht wahr? Du möchtest Zugang zu all diesen Dingen, die du nicht in Worte fassen kannst. Ein Verlangen nach Befreiung hat dich befallen wie noch niemals zuvor – aber du kannst nicht darum bitten, das schaffst du nicht.
Lieber Mr. Ex-Kabinettsminister, die ganze Karriere, all das Drumherum und die Reisen in ferne Länder sind Unsinn, wenn man das Gegenteil von Tod nicht für einen flüchtigen Moment lang greifen kann. Und heute Abend beschließt du plötzlich, es erleben zu wollen. Du willst tagsüber in den Itchycoo Park, du willst mit Mädchen picknicken und den Duft von nassem Gras riechen. Du willst deinen Schwanz wieder so hart wie als Achtzehnjähriger, und du willst alle Mädchen, die du damals nicht gehabt hast. Geh in der Zeit zurück. Du bist auf dem Schulfest, 1972, und um dich herum sind viele Leute cooler als du, aber dieses Mal hast du Glück gehabt. Und in dieser flüchtigen Sekunde, in der du in die Psyche anderer Leute schaust, bekommst du eine Ahnung davon, wie es sein könnte.
1972. The Benny Hill Show und Casanova liefen im Fernsehen. Was hast du davon gehalten? Es hat dir gefallen, oder? Und plötzlich bist du wieder neunzehn – voller Staunen. Die Hypnose hat begonnen. Und ich versetze dich in dieses Alter mit einer Seite aus Die Geschichte des Auges . Es ist die Szene in der Kirche. Simone holt Sir Edmund im Beichtstuhl einen runter. Er ist ein wenig gelangweilt, liebt aber ihren Todeswunsch.
Du nimmst das Buch und liest es. Du kannst nicht glauben, was diese Frau dir gegeben hat. Du denkst an Sir Stephen … wo hast du das nur gelesen? War das nicht auch erotische Literatur? Aus irgendeinem Grund fällt dir ein Künstler namens Sebastian ein, über den du letzte Woche in der Zeitung gelesen hast. Er hat sich tatsächlich auf den Philippinen kreuzigen lassen. Stell dir das vor! So etwas muss man sich erst mal vorstellen. Ein Mann. Gekreuzigt. Du erschauerst. Sie lächelt breit. Irgendetwas zittert in deinen Hosen, aber es könnte auch Angst sein. Sie geht weg. Du zählst die Sekunden, bis sie zurückkehrt.
So etwas hast du noch nie zuvor gelesen. Du blätterst die anderen Seiten durch: Leute, die in Schränken eingeschlossen sind; junge Mädchen in Milchkannen. Kannst du dir vorstellen, dass deine Partnerin so etwas liest? Himmel, nein, aber diese hier, sie hat
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