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Scharfe Pranken

Scharfe Pranken

Titel: Scharfe Pranken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. A. Aiken
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seinen Krallen erneut über das Dach, um es aufzureißen und in den Wagen eindringen zu können. Inzwischen konnte er Schreie hören. Er tobte vor Wut und war sich sicher, dass sie Blayne wehtaten, dass sie sie umbringen wollten. Er bog das Blech zur Seite, um zu ihr ins Wageninnere zu gelangen. Um sie zu retten. Doch der Schock über den Anblick, der sich ihm bot, als er in den Lieferwagen blickte, traf ihn völlig überraschend. Dieser Sekundenbruchteil kam ihn teuer zu stehen, denn das Fahrzeug schleuderte erneut wild hin und her, drehte sich im Kreis, und er wurde abgeworfen.
    Bo flog mit einem Salto durch die Luft und knallte mit voller Wucht auf den Boden. Durch den Aufprall brach er sich den rechten Unterarm, bevor sein Körper sich erneut überschlug und seine Rippen gegen unglücklich im Weg liegende Steine prallten. Nachdem er noch ein paar Meter weitergerollt war, blieb er schließlich liegen. Vor entsetzlichen Schmerzen konnte er nur mit Mühe atmen.
    Er schaute zu den Bäumen über sich hinauf. Nun war alles still, und er wusste, dass der Lieferwagen gegen einen Baum gerauscht sein musste, während er durch den Park geflogen war. Wenn er ehrlich sein sollte, wollte er einfach nur bleiben, wo er war. Er wollte liegen bleiben und eine Möglichkeit finden, ohne dieses bedauerliche Pfeifen zu atmen. Er wollte hier sterben, zu den Bäumen emporblicken und hoffen, dass der Himmel wirklich ein zugefrorener Teich war, auf dem sich die besten Eishockeyspieler aller Zeiten täglich zu einem neuen Spiel trafen.
    Aber er wusste, dass er das nicht konnte. Nicht, weil er entschlossen war, am Leben zu bleiben – obwohl er das natürlich auch gerne wollte –, sondern weil er Blayne finden musste. Wenn es irgendetwas gab, das er für sie tun konnte, dann würde er es tun.
    Bo zwang seinen Körper aufzustehen, aber auch das verursachte ihm quälende Schmerzen. Schmerzen, von denen er hoffte, dass er sie nie wieder durchleben musste. Er zwang sich, durch die verschwommene Szene vor seinen Augen hindurchzusehen, und taumelte zu dem Lieferwagen hinüber, während er seinen gebrochenen rechten Arm fest an seinen Körper presste.
    Er spürte, wie Panik in ihm aufstieg, als er sah, dass sich der Lieferwagen um einen Baum gewickelt hatte. Die Windschutzscheibe und die Seitenfenster waren zerschmettert, und überall lagen reglose Körper.
    »Blayne?« Seine Stimme klang seltsam verzerrt, und er wusste, dass er viel Blut verlor. Ohne auf diese Tatsache zu achten, machte er sich zwischen den blutüberströmten, schwarz gekleideten Körpern auf die Suche nach Blayne.
    Keuchend und gegen die Ohnmacht ankämpfend, schnupperte Bo in die Luft. Sein Sehvermögen mochte vielleicht durchschnittlich sein, aber sein Geruchssinn …
    Sein Blick huschte zu einem Baum hinüber, der etwa sechs Meter entfernt stand. Er ging, oder besser, humpelte darauf zu, und als er näher kam, sah er sie.
    Die Wolfshündin war blutüberströmt und, was ihm noch mehr Angst machte, ebenfalls um einen Baum gewickelt. Er hockte sich neben sie und legte eine Hand auf ihre Schulter. Schlaff wie eine Stoffpuppe rollte sie herum, und als Bo sah, wie sich ihr Körper bewegte, wusste er, dass ihre Knochen gebrochen waren … möglicherweise alle.
    »Oh, Blayne.« Er berührte ihre Wange mit seinem linken Handrücken. Sie atmete noch, wenn auch sehr schwach. »Blayne. Es tut mir so leid.«
    Seine Beine gaben unter ihm nach, und er fiel auf den Hintern. Da saß er, keuchte und wünschte sich, er könne diesen ganzen Abend verändern. Wünschte sich, er könne Blayne sagen, was er wirklich fühlte, bevor er sie verlor, so wie er fast jeden verloren hatte, der ihm etwas bedeutete. Er wünschte sich, er könne …
    Verdammt, du Idiot!
    Bo blickte sich um. Seine Umgebung wurde mit jeder Sekunde verschwommener. Trotzdem vernahm er die Stimme seines Onkels. Er konnte sie hören, genauso, wie er sie gehört hatte, seit er zehn Jahre alt gewesen war.
    Sitz nicht einfach nur da und tu dir leid. Tu was, Junge. Auch wenn es falsch ist – tu was!
    Sein Onkel hatte recht. Bo musste etwas tun. Irgendetwas.
    Er sah zu Blayne hinüber. Sie trug noch immer die Uhr, die er ihr gegeben hatte. Seine eigene hatte er verloren, als er mit seinen Krallen das Dach des Lieferwagens aufgerissen hatte. Das Äußere der Uhr war schlimm beschädigt, aber Bo setzte seine Hoffnung auf ihr Innenleben. Bei einem Preis von fünfzigtausend Dollar sollte das verdammte Ding besser einen monumentalen

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