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Scharfe Schuesse

Scharfe Schuesse

Titel: Scharfe Schuesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andre Le Bierre
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schließlich über den
Hindenburgdamm fuhren. Da gab es schon echt
schmerzfreie Patienten und Kunden in der Truppe,
die sogar meinen geistigen Horizont zerfetzten. Auf
nach Glückstadt. Seltsamerweise hatten einige noch
so viel Humor und pfiffen den Trauermarsch. Das
Gepfeife verstummte, als die Busse mitten in der
Prärie anhielten und wir antreten mussten. Mit
vollem „Gerödel“, wie man so sagte. Dann waren die
Busse weg. Von wegen Glückstadt. Man hatte uns
mitten in Ditschieland ausgesetzt.
Die eingeteilten Gruppenführer bekamen eine Karte
mit einem Brandfleck, einen Kompass und die Satz
„Abendessen um 1900“ um die Ohren gehauen.
Waren die des Wahnsinns? Wie konnte man den
Haufen präpubertärer Maskulinen auf die
Menschheit loslassen? Apropos Menschheit. Wir
sahen keine Menschenseele, nur Felder. Keine
Gebäude. Ich muss wohl kaum erwähnen, dass ich
schlagartig einen Anfall von postnatalen
Depressionen bekam, weil Rene in der anderen
Gruppe gelandet war, oder?
    Aber dafür hatte ich meinen persönlichen Führer Rolf
dabei. Der wusste doch sonst immer alles. Ich war ja
gespannt, wie er sich alleine als Führungsperson
machte. Es war eine Katastrophe. Vier Mal musste ich
die Anderen davon abhalten, Rolf wegen fehlender
Intelligenz zu züchtigen. Verständlich, wenn man
sich ein paar Male verläuft und dann auch noch
dumme Sprüche bringt. Letztendlich hatte er es aber
überlebt und wir schließlich auch. Man konnte sich
wirklich an der Sonne, den Bäumen und anderen
Dingen orientieren, wenn man sich nicht schon das
halbe Hirn weggesoffen hatte. Handys waren noch
nicht so verbreitet und GPS gab es noch nicht.
    Also zwang man uns, nach Karte zu laufen. Die
kannten wir aber am Schluss auch auswendig.
Ansonsten war unsere 76 Stunden-Übung prima, es
kam mir vor wie 200 Stunden. Wir hatten ein
Lagerfeuer. Ramirez sang ein paar Gospelsongs. Er
wurde von Kemal mit der Gitarre begleitet. Ja, Kemal
war gar nicht schwanger.
Und das THC in seinem Urin reichte wohl nicht aus,
ihm Drogenkonsum nachzuweisen. Ich meine, die
benahmen sich alle, als wären sie völlig weg. Das lag
wohl an der Umgebung. Wir bauten Deckungen und
Stellungen. Ich hätte Pflanzkartoffeln mitnehmen
sollen. Die wären zum 20. April locker in der Erde
gewesen. Wir hatten den 19. Ich saß um 23 Uhr
immer noch am wärmenden Feuer, als Rolf aus der
Deckung kam, weil er abgelöst wurde.
    Er hatte heraus bekommen, dass Rene von der
gegnerischen Truppe mit einer 12er Übungsbombe in
der Stellung bombardiert wurde. Der Arme tat mir
leid. Normalerweise war die Dröhnkraft in den Ohren
nach so einem Anschlag gleichzusetzen mit dem
Starten eines Jagdbombers. Ich war zwei Stunden
später dran mit Wache. Die ganze Zeit vermisste ich
mein Gewehr. Ich hatte es wohl im Zelt gelassen.
Zurück laufen war nicht. Das hätte man bemerkt. Ich
machte mir Sorgen. Das Verlieren von Munition hätte
einen den Kopf gekostet. Das Verlieren einer ganzen
Waffe wäre mein Aus gewesen. Nach der Ablöse
kehrte ich ins Zelt zurück. Es war mitten in der Nacht.
    Rolf hatte seine Taschenlampe aufgestellt und wartete
in unserem Zelt. Ja, richtig. In unserem Zelt, quasi die
Outdoor-Version unseres Feriendomizil 69, gebastelt
aus zwei Zeltplanen. „Prinzessin, du bist ja ganz
durchgefroren! Komm herein und wärme dich auf!“
Er stellte die Taschenlampe auf Puffbeleuchtung
„rot“. Absoluter Alarmzustand, aber warum? Dann
fing er an. Ich lag neben ihm und wollte gerade in
meinen Schlafsack schlüpfen. Er holte ein Gewehr
von der Seite und nahm das Magazin ab.
„Mäuschen, Mäuschen!“, schüttelte er den Kopf. „Los
ausziehen!“, sagte er dann. „Hast du einen Knall?
Ausziehen?“ Er grinste und legte das Gewehr über
mich hinweg auf meine Seite. Im Magazin zählte er 20
Schuss Übungsmunition. „Prinzessin, das kostet dich
deinen Arsch!“ Ich sah ihn erschrocken an. „Du willst
mich verpfeifen, nach allem was wir erlebt haben?“ Er
schüttelte den Kopf. „Zieh dich aus, Süße. Das kostet
dich deinen Arsch, wenn du nicht willst, dass ich den
Fall melde. Deine Waffe stand an dem Donnerbalken,
mutter-seelenallein. Die werden dich unehrenhaft
entlassen oder in den Bau stecken!“
    Ich ahnte, was er vorhatte. Wir hatten die Zeltplane
fast ganz dicht bekommen, sodass es nicht ganz so
kalt war. Rolf zog den Reißverschluss seines
Schlafsacks auf und ich sah, dass er nur mit einer
knappen Unterhose bekleidet war. Langsam
entledigte ich mich wortlos von meinen
Uniformteilen.

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