Schartz, S: Elfenzeit 19: Kampf um Earrach
rotierenden Feuerball, der einen Durchmesser von gut einer halben Mannslänge besaß. Er entlud sich in häufigen, aber unregelmäßigen Abständen, und die Energieblitze wurden von einer um ihn geschlossenen Metallkonstruktion aufgefangen und über das Gitter in den Boden geleitet.
Dies war die Energie, von der Tara zehrte, die Loyalität von allen Anhängern sicherte und für eine vorwärtsstrebende, optimistische Stimmung sorgte. Dies war Bandorchus Kraftzentrum, das Geheimnis ihrer Macht. Sechs Ley-Linien, aus denen sie schöpfte und die ihr annähernd Unsterblichkeit verliehen. Aber damit war es noch nicht genug.
Bandorchu schritt langsam auf die wogenden Linien zu, deren Durchmesser eine Rumpflänge ausmachte. Obwohl sie zu glühen schienen, verströmten sie keine Hitze, ebenso wenig der Feuerball im Zentrum. Der runde Raum war eher kühl, die schwarzen Felswände waren sogar mit einer hauchdünnen Schicht Raureif bedeckt.
Die Leys wichen der Dunklen Königin aus, doch das nutzte ihnen nicht viel. Ihre Zusammenballung im Zentrum konnte nicht gelöst werden, und diese würde Bandorchu anzapfen. Sie konnten nichts dagegen tun, solange die magischen Stäbe draußen in der Menschenwelt an den besetzten Knoten die Verbindung zu ihnen aufrechterhielten.
»Wann wirst du die übrigen Knoten besetzen, mein Getreuer?«, fragte Bandorchu, den Blick fest auf den kalten Glutball gerichtet. Knisternd flossen die eingefangenen Blitze über das Drahtgestell und verschwanden im Boden. Der Boden selbst war mit einer magischen Lasur behandelt; er verteilte die Energie und leitete sie weiter.
»Schon sehr bald«, antwortete er mit heiserer Stimme. »Sobald die Belagerung des Baumschlosses begonnen hat.«
»Gehen wir denn nicht umgehend hinein?«
»Das wird uns nicht möglich sein. Außerdem ist es wichtig, dass sie alle drin sind und bleiben. Sollen sie sich noch eine Weile in Sicherheit wiegen, Hauptsache, sie sind dort, wo wir sie haben wollen – unter unserer Kontrolle. Der richtige Zeitpunkt muss kommen.«
»Nun gut.« Bandorchus gerunzelte Stirn glättete sich wieder. »Ich werde es auch mehr genießen, wenn ich das Schloss belagere und mich gründlich auf den letzten Angriff vorbereite. Wir müssen es im Sturm schaffen!«
Der Getreue nickte. »Das ist unsere einzige und letzte Chance, es darf nichts schiefgehen. Ich habe alles genau geplant …«
Da musste sie kurz auflachen, in heller Erheiterung. »Oh, wie oft hast du das schon zu mir gesagt! Und immer ging etwas schief.«
»Das ist das Leben«, erwiderte er ungerührt. »Ich habe keine Macht darüber. Die beste Manipulation nutzt nichts, wenn es zu viele Faktoren gibt, die ein Unternehmen zum Scheitern bringen können. Eine kleine Unregelmäßigkeit, die von außen kommt, ein zarter Windhauch nur, und das Kartenhaus stürzt zusammen.«
»Gibt es nun nur noch einen Pfad?«
»Wir sind beinahe angelangt, ja. Nur wenige Abzweigungen sind möglich und bald gar keine mehr. Genau deshalb muss der Zeitplan stimmen.«
»Zeit, Zeit!«, sagte sie abfällig. »Ich hasse das Wort, und ich höre es zu oft! Genug jetzt! Wenden wir uns den Ritualen zu, denn auch sie sind Bestandteil deines Plans, nicht wahr?«
Er neigte leicht den Kopf, dann trat er neben sie und ergriff ihre Hand.
Die gefangenen Ley-Linien zuckten wie unter Krämpfen, wanden sich hin und her, während die beiden mächtigen Wesen im Chor einen monotonen Singsang begannen.
Bald leuchteten ihre Auren auf und verbanden sich miteinander. Ihr Strahlen erfüllte die ganze Kammer, und die Bewegungen der Ley-Linien wurden ruhiger. Das rote Glühen verdichtete sich, wurde zu Purpur und dann zu tiefem Indrinasin, der höchsten Stufe der Warnung. Doch weder Bandorchu noch der Getreue zeigten sich davon beeindruckt. Vielleicht beabsichtigten sie es sogar.
Die Töne ihres Gesangs nahmen allmählich Gestalt an, setzten sich auf den Ley-Linien fest – leuchtende Punkte auf einer bizarren Tonleiter.
In der zweiten Stufe hoben die Dunkle Königin und ihr Vertrauter die jeweils freie Hand, und feine silberne Fäden lösten sich von ihren Fingern, strömten zu den Klängen und verbanden sie miteinander, kreuz und quer, bis alle Töne auf allen Linien mit jedem Faden verbunden waren, in einem gewaltigen dichten Netz.
Die Felsen, zuvor so kühl und abweisend, begannen unter diesem Einfluss zu schwitzen und sonderten rote Tropfen ab. Es sah aus, als würden sie bluten. Der Boden wurde durchsichtig, und in ihm zeigte sich
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