Schartz, S: Elfenzeit 20: Der Atem der Unsterblichkeit
Sonne. Sie bestanden aus Mimikry-Stoff, der sich farblich der Umgebung anpasste. Aber bisher war kein Mensch auch nur in die Nähe gekommen. Trotzdem wurde der magische Schutzwall regelmäßig erneuert.
»Tut mir leid, ich hänge oft meinen Gedanken nach«, entschuldigte sich Nadja. »Die Sonne dörrt einen aus, und deine Soldaten sind auch keine Stimmungskanonen, die die Laune hochhalten.« Sie nahm die einfarbig dunkelblaue Kufiya ab und schüttelte ihre flach gedrückten Haare aus. Der Abend näherte sich, und eine leichte Brise kam auf.
»Dich beschäftigt viel, das kann ich verstehen«, sagte David und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. »Dein Leben hat sich grundlegend verändert.«
»Vieles wurde zertrümmert, David. Ich habe meine Eltern verloren, musste mich von meinen Freunden verabschieden … und ich habe noch so viel über deine Welt zu lernen. Vor allem aber fürchte ich mich vor dem, was kommt.«
»
Du
… zweifelst?«
»Habe ich etwa keinen Grund dazu?«
»Talamh zweifelt nicht. Du solltest ihm vertrauen.«
Nadja schüttete ein wenig Wasser auf ihr Kopftuch und rieb sich das Gesicht. »Ich habe nicht diese enge Bindung zu ihm wie du. Seit Lyonesse ist da etwas zwischen euch, was dich sehr verändert hat.«
»Es ist der Baum, der das bewirkt.« David machte eine unbestimmte Geste. »In mir ist etwas erwacht, seit Alebin mich angezapft hat. Ich kann den Puls meines Landes spüren, und ich fühle, wie Talamh es am Leben erhält.«
»Er ist ein winziges Kind«, flüsterte sie. »Und trägt meine menschlichen Gene in sich. Wird er das denn alles verkraften können?«
»Ich weiß nicht einmal, ob ich es verkraften kann. Aber einer Sache bin ich mir sehr sicher.« David nahm ihr Gesicht in seine Hände und drehte es zu sich. »
Du
kannst es. Du bist stärker als wir alle, und du vermagst mehr, als du ahnst. In dir ruht eine Kraft, die es sonst nicht gibt. Sonst wäre Talamh nicht so, wie er ist. Und ich hätte keine Seele.«
»Aber …«
»Still. Du setzt dich selbst zu sehr unter Druck, Nadja. Niemand erwartet von dir Heldentaten, und du kannst auch niemanden enttäuschen. Darüber musst du dir klar werden. Jeder von uns tut das, was er am besten kann. Mehr ist nicht möglich, und mehr will ich auch nicht von dir. Allein, dass du hier bei mir bist, gibt mir Kraft und Halt. Du bist es, die mich nicht zweifeln lässt. Mit dir kann ich alles schaffen.«
Er küsste sie, und sie fühlte sich getröstet. Ständig schwankten ihre Gefühle hin und her: Manchmal war sie sicher, dass sie den Getreuen aufhalten und den Untergang verhindern konnte, manchmal aber war sie vom Gegenteil überzeugt.
Davids Kuss wurde intensiver. Er zog sie näher an sich, und sie spürte seine Hände nach einer Lücke in den Schichten ihrer Kleidung suchen. Verstohlen glitt ihre Hand seinen Bauch hinab und tiefer, während ihre Lippen sich an seinem Mund festsaugten.
»Ich möchte so gern mit dir schlafen«, wisperte er keuchend an ihrem Ohr, presste seine Lippen an die empfindliche Stelle dahinter, und sie spürte das Kitzeln seiner Zunge. Endlich hatten seine Finger ihre Brust erreicht. Das Blut in ihren Adern schien zu kochen.
»Ich halte es auch bald nicht mehr aus«, gestand sie leise und schob ihre Hand in seine Hose, arbeitete sich weiter zu ihm vor.
Das war das Schlimmste: jede Nacht wie Bruder und Schwester nebeneinanderschlafen zu müssen. Keuschheit zählte bestimmt nicht zu den Tugenden eines Elfen, und David musste es umso schwerer fallen. Aber auch Nadja wollte den Sex nicht länger missen; sie war schon fast so weit, dass es ihr egal gewesen wäre, ob alle dabei zusahen.
Sie hatten bisher so wenig voneinander gehabt. Seit siebzehn Monaten, seit jener Nacht in Venedig nach Davids Befreiung, waren sie mehr getrennt als zusammen gewesen. Die paar Wochen, die ihnen vergönnt waren, hatten nicht ausgereicht, um sich kennenzulernen und herauszufinden, ob ihnen ein Zusammenleben als Mann und Frau – und inzwischen schon als Familie – überhaupt möglich war. Die Ereignisse hatten sie ständig überholt, bevor sie eine Chance hatten, sich gemeinsam darauf einzustellen oder vorzubereiten. Doch eines stand fest: Ihre Liebe zueinander war seither gewachsen und brannte wie ein Vulkanfeuer in ihnen. Jeden Augenblick sehnten sie sich nacheinander, nach Innigkeit und Verbundenheit abseits aller Verpflichtungen. Aber dazu würde es wohl nie mehr kommen.
Plötzlich hielt David Nadjas Hand fest und löste sich von
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