Schartz, S: Elfenzeit 20: Der Atem der Unsterblichkeit
fuhr zu ihr herum. »Was machst
du
hier?«, fragte er dermaßen verblüfft, dass Nadja nicht minder erstaunt stehen blieb.
»Bist du … es wirklich?« Heftig atmend stützte sie die Arme auf die Oberschenkel und rieb sich die vom schweißnassen Tuch bedeckte Stirn an der Schulter.
»Dasselbe sollte ich dich fragen.« Er kam auf sie zu.
»Ich dachte, du weißt, dass ich hier bin.«
»Natürlich wusste ich es, aber nicht an
dieser
Stelle, bei mir.« Ehe sie es verhindern konnte, löste er ihren Gesichtsschleier, und seine behandschuhte Hand strich ihre verschwitzten Haare zurück. »Nadja Oreso, du bist so närrisch wie immer. Durch eine brennende Wüste zu rennen, das bringst nur du fertig.« Seine tiefe Stimme klang nunmehr amüsiert. »Allerdings gibt es nichts, was deiner Schönheit abträglich sein könnte. Ich freue mich, dich nach dieser langen Zeit so gesund und gewohnt temperamentvoll wiederzusehen.«
Nadja schluckte. Er hatte sie schon mit einer Menge Attributen bedacht, aber ein Kompliment? Das war neu.
Einige Zeit standen sie schweigend voreinander, als wüssten sie nicht recht, was sie miteinander anfangen sollten. Die Hitze dörrte Nadjas Verstand allmählich aus, und die Gedanken schossen ziellos durch ihren Kopf. Seit Island hatte sie den Getreuen nicht mehr gesehen. Die kurze Begegnung in der Geisterwelt, als er sie zu sich gerufen hatte, zählte nicht. Dort war er nicht körperlich gewesen. Nun aber schon.
»Wie … hast du es von Island geschafft?«, fragte sie schließlich langsam. »Sie erzählten mir, dass der Vulkan explodiert sei. Du sollst mittendrin gewesen sein.«
»Keine angenehme Erfahrung, in tausend Stücke zerrissen zu werden«, antwortete er. »Ich ging in die Vergangenheit, um dort Heilung zu finden. Da ich außerhalb der Zeit existiere, habe ich keine Schwierigkeiten, mich durch sie zu bewegen, so, wie du von einem Ort zum nächsten gehst. Für mich macht das keinen Unterschied.«
»Aber wie konntest du es überhaupt überleben?« Sie flüsterte nur noch, schreckte vor sich selbst zurück. Dieser Gedanke beschäftigte sie schon zu lange. Viel zu oft dachte sie an den Getreuen.
Er zögerte. Dann schlug er die Kapuze zurück, und sie sah ein Gesicht vor sich, das ihr bekannt vorkam. Schwarzhaarig, sehr blasse Haut, perfekt modelliert; ein wenig zu hart vielleicht, mit den scharfen Linien eines viel beschäftigten Mannes von Ende vierzig. Seine Augen waren sehr dunkel, halb beschattet von den Augenbrauen. Die Nase scharf und gerade, Ausdruck eines immens starken Willens.
Seine schmalen Lippen verzogen sich zu der Andeutung eines Lächelns. »Ich kann nicht vernichtet werden, Nadja. Ich bin ein Ewiger. Solange es Leben gibt, so lange existiere auch ich. Zerstört werden kann nur mein Körper, doch er ist ohnehin immer nur eine Leihgabe auf Zeit.«
»Also macht es dir nichts aus, dass die Unsterblichkeit verloren ging?«
»Das schon, aber aus anderem Grund.«
Sie gab sich einen Ruck. »Sag mir endlich, wer du bist, warum du das alles tust«, forderte Nadja den Getreuen auf. Wenn er sich ihr schon so offen zeigte, konnte er auch den Rest preisgeben. Schließlich waren sie ganz unter sich. »Wenngleich du Bandorchu dienst, verfolgst du eigene Ziele, und ich bin mir nicht sicher, ob nicht du sie benutzt anstatt umgekehrt.«
Er tippte mit dem Zeigefinger leicht gegen ihre Stirn. »Die Erkenntnis ist bereits dort drin. Du musst sie nur herausholen. Ich kann dir nicht sagen, was du schon weißt.« Dann wich er einen Schritt zurück und verschränkte die Arme vor der breiten Brust. Obwohl die Sonne hinter ihm stand, fiel kein Schatten über Nadja. Dennoch ragte der Hüne nicht weniger bedrohlich und schwarz über ihr auf. Dass sie sein Gesicht sehen konnte, milderte den Anblick nicht. Wer wusste schon, wie er in Wirklichkeit aussah? »Aber genug von mir. Was mich interessiert: Wie kommst du hierher?«
»Ich habe dich gesehen und bin völlig kopflos zu dir gerannt.« Nadja lachte kurz auf. Grotesk, aber es war die Wahrheit. »Dass jetzt kein falscher Eindruck entsteht: Ich wollte dich aufhalten.«
Der Getreue wandte sich von ihr ab und betrachtete die Düne, die sie hinabgelaufen war. Die Hälfte ihrer Spuren war bereits verweht. »Mein Fehler«, sagte er schließlich. »Ich vergaß, dass du Grenzgängerin bist.« Er kehrte um und trat dicht zu ihr. »Und ich vergesse immer wieder, dass ich dich nicht unterschätzen darf.«
Sie ging nicht darauf ein. »Also, was hast du
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