Schartz, S: Elfenzeit 20: Der Atem der Unsterblichkeit
Teetasse anhob und betont langsam trank. Solange keiner eine Frage stellte, würde sie nichts sagen.
Jamal war nicht fertig. »In den vergangenen zwei Wochen ist hier keine einzige Wüstentour durchgekommen. Das wissen wir deshalb so genau, weil jede Tour, die diese Straße benutzt, bei meinem Vater angemeldet werden und für die Passage zahlen muss.«
Oje, oje, oje!
Nadja war, als rutsche ihr das Herz bis in die Kniekehlen.
»Hättest du die Freundlichkeit, meinem Vater zu erklären, wieso du seine Gastfreundschaft mit derartigen Lügen missachtest?« Jamals dunkle Augen wirkten plötzlich kalt und hart wie die des Scheichs.
»Ich habe nicht gelogen«, flüsterte sie.
Nur die Wahrheit ein wenig gedehnt
. Ihre Gedanken rotierten wild durch ihren Kopf, bis ihr das Naheliegende endlich einfiel.
»Bitte sag deinem Vater, dass es mir unendlich leidtut, aber das war reine Gewohnheit«, fing sie an. »Ich bin schon sehr lange gezwungen, meine Identität zu verbergen, weil ich anders nicht an Informationen herankomme.« Sie straffte die Haltung und sah Jamal offen ins Gesicht. »Ich bin Journalistin und recherchiere für ein Sachbuch. Eine halbe Tagesreise von hier ließ ich mich absetzen und machte mich allein auf den Weg durch die Wüste. In meinem Rucksack habt ihr sicher die Karte von Siwa entdeckt. Dorthin will ich gehen.«
»Und was genau treibt dich ins Große Sandmeer, anstatt den direkten Weg von Kairo aus zu nehmen?«
Endlich ein Hinweis, wo sie sich befand. Nadja rief sich blitzschnell die Karte ins Gedächtnis. Siwa lag also im Norden. Aber wie weit entfernt?
»Ich will alles über die Wüste erfahren«, antwortete sie. »Und ihre Bewohner.«
Jamal betrachtete sie schweigend, ohne ein einziges Wort an seinen Vater zu übersetzen. Er glaubte ihr nicht.
»Verstehe ich das richtig?«, fragte er langsam. »Du bist Reporterin, die einen Bericht über die Wüste schreiben will? Ohne Kamera, ohne Laptop oder wenigstens Notizbuch? Du hast nicht einmal ein Mobiltelefon dabei, mit dem man deine Position feststellen könnte, falls du dich verirrst – und das ist zu hundert Prozent anzunehmen, da du keine Ahnung von der Wüste hast.«
Die Angst saß Nadja so eiskalt in den Knochen, dass sie fröstelte. Weil sie überhaupt keine Antwort darauf geben konnte, sagte sie einfach nur: »Ja.« In alten Filmen war das viel einfacher. Aber da hatte es auch noch keine Handys gegeben und Wüstensöhne, die in Kairo studierten.
Jamal schüttelte den Kopf. »Deine Geschichte ist so hanebüchen und unlogisch, dass du keine Agentin sein kannst, von welcher Fraktion auch immer. Die sind nicht so unprofessionell … um nicht zu sagen dilettantisch.«
»Ich kann beweisen, dass ich Journalistin bin. Hast du Internet?«
»Sicher. Glaubst du, wir leben hier hinterm Mond?«
»Dann suche in einer deutschen Suchmaschine nach meiner Reportage über Boy X. Das war im November vorletzten Jahres in Paris.«
»Na schön.« Jamal sagte etwas zu seinem Vater und stand auf. »Nadja Oreso?«
»Ja. Paris, Boy X, vor neunzehn Monaten.« Sie nannte noch den Namen des Magazins.
Nachdem Jamal das Zelt verlassen hatte, entschloss Nadja sich, so zu tun, als wäre gar nichts. Sie aß Früchte und trank Tee. Dabei mied sie jeglichen Blickkontakt mit dem Patriarchen, der gelassen ebenfalls weiter Tee trank. Ab und zu sah eine junge Frau nach dem Rechten, reichte dem Scheich zuletzt eine Shisha, stellte Nadja eine weitere Kanne Tee und eine Schale Oliven hin und zog sich still zurück.
Der ältere Mann rauchte still. Dafür war Nadja dankbar; das machte das Schweigen weniger unbehaglich und wirkte, als würde jeder lediglich seinen Gedanken nachhängen. Sie blieb in ruhiger Sitzhaltung und hielt den Blick die meiste Zeit auf den Teppich gerichtet.
Nach einer Weile veränderte der Patriarch seine Sitzhaltung und sagte in fließendem Deutsch: »Sie sind eine erstaunliche junge Frau.«
Nadja wäre beinahe in Ohnmacht gefallen. Aber eigentlich hätte sie es sich denken sollen. »Vielen Dank«, murmelte sie und wagte es, den Blick halb zu heben.
Der Scheich war ein wahrer Sohn der Wüste – hager, das Gesicht von Sonne, Wind und Trockenheit ausgezehrt, mit vielen Linien und Falten, dazu einem Dreitagebart. Ein schönes, reifes Gesicht voller Leben und Erfahrungen, mit scharfen Augen. Er musste an die sechzig sein, wenn nicht älter. Jamal war vermutlich sein Lieblingssohn, vielleicht sein jüngster.
»Sie lassen sich von einer Düne fallen und
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