Schartz, S: Elfenzeit 20: Der Atem der Unsterblichkeit
Mensch, und allmählich hatte er es satt. Ihm war klar, dass es den Männern gar nicht um die Befragung ging. Inzwischen mussten sie begriffen haben, dass er absolut keine Ahnung hatte, was sie von ihm verlangten. Aber sie wollten ein bisschen Spaß.
Der Stuhl stand in einer fensterlosen Kammer eines viereckigen Lehmbaus, in der es keine weitere Einrichtung gab. Wenigstens war der Prinz nicht mehr der glühenden Sonne ausgesetzt – der Raum war kühl, nur die Luft roch modrig. Sie machten sich lustig über seine Nacktheit, demütigten ihn. Bei einem Menschen wäre es ihnen gelungen, aber David hatte damit keinerlei Probleme. Viele Elfen gingen ihr Leben lang nackt oder nur spärlich bekleidet, auch wenn sie kein Fell, Federn oder Borke besaßen. Elfen hatten ein völlig natürliches Verhältnis zu ihrem Körper und ihrer Sexualität und kannten kein Schamgefühl oder irgendwelche Konventionen.
Die Soldaten machten sich zudem über seine Bartlosigkeit lustig und überlegten laut, ihm Frauenkleider anzulegen und ihn so zu fotografieren. Darüber hätte David beinahe lachen müssen, weil das für sie der Gipfel der Demütigung, für ihn jedoch völlig belanglos war, doch er hielt sich zurück. Diese in engen Schablonen gefangenen Männer mit ihrem freudlosen Dasein taten ihm leid, obwohl sie ihn quälten.
Dummerweise hatten sie ihn mit Eisenketten gefesselt, sodass David nicht nur den ununterbrochen brennenden Schmerz an Hand- und Fußgelenken erdulden musste, der sich wie ein glühendes Eisen in seine Haut fraß, sondern auch keinerlei Elfenmagie mehr besaß, nicht einen Hauch davon. Keine Chance, den Elfenkanal zu nutzen und um Hilfe zu rufen oder die Soldaten zu beeinflussen.
Der Elfenprinz machte sich keine Illusionen. Aus dieser Lage kam er nicht mehr lebend heraus. Er hatte in den vergangenen Monaten schon mehrere aussichtslose Situationen erlebt, bei denen es ihm ans Leder gegangen war, aber diese war nur noch grotesk zu nennen.
Immerhin wollten sie nicht gleich mit ihm Schluss machen, gaben ihm ab und zu Wasser und zu essen. Und nachdem sie nach Stunden ihren ersten angestauten Frust an ihm abreagiert hatten, ließen sie ihn zunächst in Ruhe. Vermutlich berieten sie sich gerade darüber, was sie als Nächstes mit ihm anstellen sollten, und diskutierten einen perfiden Folterplan, der ihnen größtmöglichen Spaß und Abwechslung für längere Zeit garantieren würde.
David fluchte leise in allen Sprachen. Der Schmerz des Eisens auf der bloßen Haut trieb ihm den Schweiß auf die Stirn. Als Kind, während der Ausbildung, hatte der Prinz gelernt, dem Schmerz durch Verdrängung und mentale Selbstaufgabe zu begegnen, und damit konnte er die Torturen einigermaßen ertragen. Aber so etwas vermochte niemand auf Dauer durchzuhalten, erst recht nicht, wenn sich die Foltermethoden steigerten. Der Zeitpunkt rückte näher, an dem die Pein größer sein würde als jede Beherrschung.
Denk an Nadja
, redete David sich zu und versuchte sich mit Scherzen aufzurichten.
Sie ist irgendwo da draußen und braucht deine Hilfe, und du treibst hier deine Späße mit raubeinigen Kerlen, anstatt bei ihr zu sein. So geht das nicht weiter; du musst dich davon losreißen, so lustig es auch ist, und Abschied nehmen
.
Die Tür öffnete sich einen Spalt, und David blinzelte in dem grellen Lichtschein, der hereinfiel. Habal kam mit einem Becher Wasser und einem Stück Nomadenbrot.
»Fein, Stärkung für den müden Künstler«, sagte David. »Was steht denn als Nächstes auf dem Programm?«
»Wir überlegen, dich für uns tanzen zu lassen«, antwortete der Soldat.
»Oh ja, das kann ich gut. Vielleicht sogar ein bisschen Bauchtanz, ich bin nur etwas aus der Übung.«
David hatte schon gemerkt, dass Habal ihn stets mit einem besonderen Blick ansah und sich kaum an den Folterungen beteiligte. Wenn der Prinz überhaupt eine Chance hatte, aus dieser Situation zu entwischen, dann war es diese. »Gefällt dir, was die mit mir machen?«
»Hab noch nie viel dafür übrig gehabt.« Habal hielt ihm den Becher an die Lippen.
David straffte seine Haltung, soweit es die Fesseln zuließen, und ließ ein wenig die Muskeln spielen. Unwillkürlich glitt der Blick des Mannes über den Körper des Elfen, der immer noch anmutig war, selbst wenn er sichtbare Spuren der Misshandlungen trug.
»Bald bin ich nicht mehr so hübsch«, fuhr David fort, nachdem er getrunken hatte. »Dann werde ich höchstens als ungeschminktes Monster in meinem Film auftreten
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