Schartz, S: Elfenzeit 20: Der Atem der Unsterblichkeit
von sich, wenn sie wuchsen, zerfielen oder wanderten.
David blieb stehen und lauschte fasziniert. Erst nach einer Weile gelang es ihm, die sanfte Brise zu hören, die sich an den Sandkörnern rieb und sie mit sich trug. Sie tat gut. Doch er hatte keine Zeit für Stimmung, er war auf der Flucht und musste weiter. David wagte es nicht, den Elfenkanal noch einmal zu benutzen. Entweder war seine Botschaft aufgenommen worden, oder er musste selbst sehen, wie er zurechtkam.
Er trank den halben Wasserschlauch und lief weiter. Am Morgen musste er gefunden werden, oder es sah schlecht aus. Er hatte keine Ahnung, wie weit Siwa entfernt lag, nahm aber an, dass man eine derart große Oase schon von Weitem sah. Andererseits … sie lag in einer tiefen Senke und konnte sich daher möglicherweise lange verborgen halten.
Das bedeutete, er musste so viel Weg wie möglich zurücklegen, solange die Nacht anhielt. Und Mitternacht war schon weit überschritten. Alles wäre kein Problem, wenn David in Earrach wäre, denn dort könnte er jede Wurzel und jede Lebensader anzapfen, die durch das Reich floss. Aber in Swartson war das nicht möglich. Wenn er wenigstens endlich die Ley-Linie, den Hauptstrom, finden würde! Sie musste irgendwo in der Nähe verlaufen, von Siwa aus nach Libyen und Warqla hinunter. Einst hatte sie das Inselreich Atlantis genährt, das existiert hatte, bevor das Meer in dieser Gegend schwand und das Land im Sand versank. Es musste Verzweigungen davon geben.
David ließ sich von seinem Gespür leiten wie ein Kamel vom Wasser. Als Hochgeborener hatte er eine stärkere Bindung an die Kraftströme als andere Elfen. An den Strömen entlang würde er Kräfte schöpfen und ohne Wasser auskommen. Außerdem war der Hauptstrom der beste Wegweiser.
Wo ist diese verflixte Linie?
, dachte der Prinz wütend.
Unmöglich, dass sie nicht auffindbar ist!
Einen Trost hatte er: Es war noch nicht zu spät. Der Getreue hatte den Stab noch nicht gesetzt, aus welchem Grund auch immer. Der Gedanke gab David ein kleines bisschen Zuversicht, munterte ihn aber nur kurz auf.
Hoffentlich geht es Nadja gut, und ich finde sie in der Oase
, war seine nächste Sorge.
Und hoffentlich … hält Vater nach wie vor die Stellung
.
Innerlich lachte er spöttisch über sich selbst. Als ob das im Moment von Bedeutung wäre – zuerst musste David Siwa erreichen, und zwar lebend!
So weit war er lange nicht mehr am Stück gelaufen. David merkte, dass er nicht mehr so gut trainiert war, obwohl er in den vergangenen Monaten Aufregung und Bewegung genug gehabt hatte. Irgendwie beschlich ihn zudem das Gefühl, überhaupt nicht vom Fleck zu kommen. Immer nur Dünen, Dünen, zwischen denen er hindurchlief. Er wollte keine von ihnen ersteigen, weil er vermutlich sowieso keinen Orientierungspunkt ausmachen würde und sich nur seinen Verfolgern präsentierte. Lief er im Kreis? Nein, nein, er beobachtete die Wanderung des Mondes genau. Er bewegte sich immer noch in der richtigen Richtung. Und er konnte wohl kaum hoffen, in einer einzigen Nacht fünfzig oder mehr Kilometer zurückgelegt zu haben.
David blieb kurz stehen, um Atem zu schöpfen und einen weiteren Schluck Wasser zu trinken. Wie es am nächsten Morgen weiterging, würde er dann sehen, nun musste er bei Kräften bleiben.
Plötzlich sah er im Augenwinkel eine Bewegung! Für einen kurzen Moment hob sich etwas Dunkles gegen den Nachthimmel ab, das rasend schnell auf den Prinzen zukam.
Im letzten Moment warf David sich zur Seite, aber eine krallenbewehrte Pranke erwischte ihn noch flüchtig, und er spürte einen stechenden Schmerz am Unterschenkel. Der Prinz verbiss sich einen Schmerzensschrei, stürzte in den Sand, rollte sich eilig herum und zog die beiden Schwerter. Er konnte sie gerade noch gekreuzt über sich heben, da war das Tier über ihm.
David erkannte undeutlich einen Löwenkopf und den Vorderkörper eines Löwen, doch die zweite Körperhälfte bildete den kräftigen Hinterleib eines Insekts mit vier Gliederbeinen. Auf dem Kopf saßen zwei lange schwarze Fühler, die sich heftig in Davids Richtung bewegten, aber wegen der Schwerter nicht näher an ihn herankamen.
Auch das noch, ein Ameisenlöwe
, dachte David. Maged hatte ihn nicht grundlos gewarnt. Seit die Grenzen fielen, fanden auch Fabelwesen den Weg in die Menschenwelt.
Die Fühler rieben aneinander und erzeugten ein unangenehm schrilles Geräusch, das Davids Ohren zum Klingeln brachte. Aus dem geöffneten Löwenrachen tropfte
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