Schatten Blut
meine Kehle verkrampfte, ich konnte kaum noch Atmen. Ein stechender Schmerz durchfuhr mich, drang bis tief in meine Seele. Und dann fühlte ich, wie in mir etwas zerbrach.
Leise wimmernd, rollte ich mich auf dem Boden zusammen, die Beine angezogen und mit den Armen umfasst. Alles war dahin. Meine Hoffnung, meine Liebe, mein ganzer Widerstand. Sollten sie mich holen. Es war mir egal.
Ich hatte die Liebe meines Lebens nicht bewahren können. Hatte ihm nicht helfen können. Ich war unfähig. Ich war nutzlos. Was machte es aus, wenn ich ihm folgte? Nichts.
Ich hatte keine Tränen mehr, fühlte nichts außer bleierner Schwere, war innen völlig ausgehöhlt. Zeit spielte keine Rolle mehr. Ich gab auf.
Wirst du beenden, was du begonnen hast, Faye McNamara?
Ich ignorierte die Worte in meinem Kopf, gab mich meiner unendlichen Trauer hin. Doch er ließ nicht locker. Sag, wirst du beenden, was du begonnen hast?
Es gibt nichts mehr, wofür sich das Kämpfen lohnt, Thalion. Es ist dein Kampf, nicht mehr der meine.
»Bist du dir da sicher?« Eine Hand erschien vor mir, umfasste sanft mein Kinn und zwang mich aufzusehen. Blaugraue Augen sahen mich ernst an. »Bist du dir da wirklich so sicher, Liebling?«
Geschockt starrte ich ihn an. »Aber du …« Ich wies auf den Boden und meine Stimme erstarb zu einem Flüstern. »Du bist doch tot.«
»Täuschung«, vernahm ich Darians Stimme und seine Gestalt verschwamm vor meinen Augen wie in einem Nebel. Ich wollte ihn aufhalten, griff jedoch ins Leere. Und als sich die Gestalt wieder festigte, stand Thalion plötzlich vor mir. Er breitete seinen Umhang aus und setzte sich vor mich, sah mich mit sehr ernster Miene an. »Du lässt dich zu sehr von deinen Gefühlen leiten, Faye. Sie verraten dich und bringen alles andere in Gefahr. Du bist für deine Gegner wie ein offenes Buch und es bedarf nur eines Wimpernschlags, bis sie deine Schwächen gefunden haben und sie wie die Spitze eines Dolches gegen dich verwenden.«
Langsam sickerte die Erkenntnis in mein Gedächtnis und ich setzte mich auf. »Dann ist das alles hier nicht wirklich geschehen?« Ich schlug mir mit der flachen Hand an die Stirn. »Ich hätte es wissen müssen! Natürlich! Niemals hat er mich Liebling genannt! Es war nur ein Trugbild!«
»Du hast es erlebt, Kind. Und doch war es nur eine Täuschung. Eine Täuschung, die ich in deinen Geist projizierte.«
»Warum?« Ich verstand nicht. »Warum hast du das getan? Ich dachte, du bist Darians Freund!«
»Freunde.« Er lachte leise. »Unter uns gibt es selten Freundschaften, Faye. Ich nenne es Nutzgemeinschaft, dass trifft den Kern mehr. Und du scheinst gern zu vergessen, was wir sind. Siehst in uns die netten, verständnisvollen Wesen, ohne auf das zu achten, was uns letztendlich ausmacht: Die Dunkelheit, das, was ihr Menschen das Böse nennt. Das ist dein Verhängnis. Denk an die Täuschung von Mariella, als sie sich für deine Schwester ausgab. Sie wusste um deine Trauer.« Ich nickte in bitterer Erinnerung daran. »Und genau das ist dir wieder geschehen.«
Verlegen nagte ich an meiner Unterlippe. Es war nicht gerade das, was ich gern hörte und doch hatte er Recht. »Wie kann ich es verhindern, Thalion?«
»Verschließe deinen Geist vor anderen. Sonst wird das, was vorhin geschah, zu deinem Schicksal werden. Du bist zu vertrauensselig. Vertraue Niemandem, Faye! Noch nicht einmal mir!«
»Aber Darian –«
»Er«, schnitt Thalion mir scharf das Wort ab, »mag dir sehr nahe stehen. Doch vergiss niemals, Faye! Er ist wie ich!«
»Und das«, begehrte ich auf, »kann und werde ich dir nicht glauben!«
Ergeben schüttelte er den Kopf. »Deine Liebe zu ihm nimmt dir die klare Sicht, Kind. Und sie macht dich verletzlich. Genau das wird dein Versagen sein. Ihr Frauen werdet stets unachtsam, wenn es um Herzensangelegenheiten geht. Das macht euch zu willigen Opfern.«
»Glaubst du wirklich, dass sie schwach machen?« Ich sprang auf und lief im Raum umher. »Glaubst du wirklich, ich habe aus dem Scheiß vorhin nichts gelernt? Glaubst du tatsächlich, ich würde das noch einmal zulassen?« Wütend blieb ich vor ihm stehen, sah auf ihn herab. Etwas huschte vor meinem inneren Auge vorbei und entsetzt trat ich einen Schritt zurück.
»Nein«, keuchte ich und legte meine Hand aufs Herz. Klar und deutlich stand ein Bild vor meinen Augen, schwappten Empfindungen über mich hinweg, die eindeutig von Thalion stammten. Trauer, Verlust, Wehmut. Nur für Sekunden, dann war es fort.
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