Schatten Blut
Ein Blick in seine Augen und ich wusste, dass auch er es wusste. Und es machte mich extrem ärgerlich, dass er mich mit seiner Vergangenheit verglich. »Nein, Thalion! Nur weil du sie aufgegeben hast und glaubst, versagt zu haben, muss ich das noch lange nicht tun. Wer war sie?«
Für einen Moment sah er zu Boden, dann mich wieder fest an. »Unwichtig. Es geht hier um andere Belange!«
»Richtig, deine Geschichte geht mich nichts an.« Ich setzte mich erneut vor ihn. »Es wäre schön, wenn du in Zukunft meine Gedankensperre respektieren würdest. Das vorhin war nicht fair.«
»Niemand wird fair sein, wenn es um die eigenen Interessen geht, Faye.« Das hatte ich doch schon einmal gehört!
Ich hob einwendend die Hand. »Das bedeutet aber nicht, dass ich mich auch auf diese Ebene begeben muss. Zeige mir, wie ich mich vor geistigen Übergriffen schützen kann. Den Rest schaffe ich allein.«
»Dazu muss ich aber –« Den Satz unbeendet lassend, fühlte ich abermals, wie er nach mir griff und wütend schleuderte ich ihm gedanklich eine Art schwarzes Brett entgegen. Überrascht sah Thalion mich an. »Interessant! Du lernst schnell.«
»Reiz mich und ich zeige dir mehr!« warnte ich. »Du sollst das mit den Übergriffen unterlassen!«
Diesmal lachte er leise. »Wenn dies die Methode ist, mit der du am schnellsten lernst, dann werde ich genau das tun, mein Kind.«
Es dämmerte bereits, als ich das Versteck endlich verließ und durch den Gang zurück in die Kapelle trat. Darian saß auf der vorderen Bank und kam mir sogleich besorgt entgegen. Sofort nahm er mich in die Arme. »Du siehst geschafft aus, Faye. Ich vermute, der alte Löwe hat doch die Krallen gezeigt.«
»Krallen.« Ich lachte bitter auf und lehnte mich erschöpft an seine Brust. »Ich bin fix und alle. Erinnere mich bitte, dass ich das nächste Mal eine Nagelfeile mitnehme.«
– Kapitel Vierunddreißig –
W illst du eine Studie an ihm durchführen, Faye?« fuhr Darian mich unerwartet heftig in der Arena an. »Wir haben ihn dir nicht gebracht, damit du ihn untersuchst!«
»Darf ich bitte selbst entscheiden, was ich wann und wie tue?« fauchte ich zurück und wies mit dem Pflock auf das Wesen am Ende des Raumes. »Die ganze Nacht bei Thalion, kaum geschlafen und jetzt das hier! Immerhin töte ich das erste Mal einen Gangrel. Also lass mir gefälligst etwas Zeit!«
»Bisher hast du nicht allzu viel Einsatz gezeigt«, warf mein Vater trocken ein, duckte sich aber leicht ab, als mein böser Blick ihn traf.
»So geht das nicht!« entschied Darian knapp.
Er trat auf den Gangrel zu. Als dieser es wagte ihn anzuknurren, schlug er ihm den Ellenbogen hart ins Gesicht. Dann löste er unter meinen ungläubigen Blicken die Ketten aus der Verankerung, zog sie durch die Schellen an Hand- und Fußgelenken und setzte den Vampir frei. Mit einem Stoß in dessen Rücken schubste er ihn, quer durch den riesigen Raum, in meine Richtung.
»Ich glaube nicht, dass du dich damit gerade sehr beliebt machst, Darian«, wandte mein Vater ein, zuckte jedoch mit den Schultern, als der Angesprochene ihn finster ansah. »Ist ja gut, ich bin ja schon ruhig.«
Der Gangrel sah beklagenswert aus, so wie er in der Mitte des Raumes stand und zu meinem Vater schaute. Verlotterte Kleidung, verklebtes Haar, völlig verdreckt und zudem war er nun verletzt. Ein dünnes Rinnsal lief ihm aus Mund und Nase.
»Ich finde das jetzt nicht gut, Darian!« rügte ich ihn und stemmte die Hände in die Seiten. »Du kannst dem Armen nicht einfach so ins Gesicht schlagen! Er hat dir doch gar nichts getan!«
Die leicht gelblichen Augen des Vampirs wandten sich mir zu und er wirkte irgendwie leicht verunsichert.
Genervt richtete Darian seinen Blick zur Decke. »Das dürfte spätestens dann kaum mehr ins Gewicht fallen, wenn du ihm endlich diesen idiotischen Pflock ins Herz gerammt hast!«
Diesmal schaute er Darian an, doch sein Kopf wandte sich mir wieder zu, als ich quer durch den Raum brüllte: »Ich mache das, wenn ich dazu bereit bin!«
»Verzeihung bitte«, meldete der Gangrel sich zaghaft zu Wort. »Wollt ihr mich nun töten oder nicht? Ansonsten würde ich nämlich jetzt gern gehen.«
»Schnauze!« scholl es ihm sogleich dreifach entgegen. Er zuckte zusammen und zog den Kopf ein.
»Wann bitte meinst du, dass du bereit wärst?« fragte Darian lauernd. »Ich habe bis Weihnachten noch etwas vor!«
»Ach, hast du das?« musterte ich ihn grimmig. »Bei wolkenlosem Himmel in den Alpen, beim
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