Schatten Blut
Darian noch vor Morgengrauen zurück sein sollte. Daher ging ich an der Bibliothek vorbei, nahm ein dickes Buch über Werwölfe als spannende Nachtlektüre mit und hoffte, auf diese Weise wach bleiben zu können, bis er eintraf.
– Kapitel Einundfünfzig –
I rgendwo im zweiten Kapitel des Buches musste mich die Müdigkeit ereilt haben, denn eine leichte Berührung an meiner Schulter ließ mich blitzschnell aufspringen. Noch während das Buch quer durch die Luft segelte, landete ich nach einer Flugrolle neben dem Bett und blickte mich angriffsbereit um.
»Entschuldige, Liebes« vernahm ich eine schwache Stimme auf der anderen Seite des Bettes. »Ich wollte dich nicht wecken.«
»Darian!« Schon war ich bei ihm und konnte mich plötzlich nicht mehr entscheiden, ob ich ihn umarmen oder schütteln sollte. Verschämt drängte ich die Tränen der Erleichterung zurück und tastete sein Gesicht mit Blicken und Händen ab, als wollte ich mich vergewissern, dass er wirklich bei mir war. Und immer wieder hauchte ich ihm sanfte Küsse auf Mund, Augen, Wangen, flüsterte seinen Namen, bis er mich leicht lächelnd von sich schob. »Ich bin okay, Faye. Beruhige dich. Ich bin wieder da.«
»Ja, Gott sei Dank bist du das.« Ich rutschte ein wenig ab, betrachtete ihn mit etwas mehr Distanz. Jetzt erst bemerkte ich den langen Riss in seinem Hemd quer über der Brust, das getrocknete Blut darunter, sowie seinen allgemein recht verdreckten Zustand. Sein Haar hing strähnig herab und der ihn umgebende Geruch entsprach nicht unbedingt dem, was ich von ihm gewohnt war. Doch alles in Allem wirkte er wohlauf. Schön für ihn.
Abrupt änderte sich meine Stimmung und bevor er reagieren konnte, hatte meine flache Hand seine linke Wange unsanft abgestraft. »Kannst du mir bitte einmal verraten, was du dir dabei gedacht hast, einfach so mir nichts, dir nichts zu verschwinden, Mr. Knight? Hast du überhaupt eine Ahnung von dem, was ich hier alles durchgemacht habe? Hast du überhaupt eine Sekunde lang an mich gedacht? Kannst du nicht einmal –«
»– deinen zauberhaften Mund halten, damit ich eine winzige Chance erhalte, überhaupt antworten zu können?« schnitt Darian mir breit grinsend das Wort ab. Verblüfft verstummte ich und er nickte anerkennend. »Schon besser, Liebes. Nun gib mir ein paar Minuten zum Duschen, damit ich diesen ganzen Dreck herunter kriege und mir gleichzeitig eine für dich befriedigende und glaubhafte Ausrede überlegen kann.«
Bevor ich meine Stimme wieder gefunden hatte, war er im Bad verschwunden. Also musste meine Empörung warten, bis er zurück war, oder unbenutzt verpuffen. Das Werwolfbuch fing meinen Blick ein und stellte sich opferbereit zur Verfügung, indem es einmal quer durch den Raum flog und an der Wand abprallte. Nun konnte ich ein wenig freier durchatmen.
Darian war zurück. Ich sah zum Balkon hinüber und lächelte. Noch vor Anbrach des Tages, ganz wie Michael es versprochen hatte. Ich schickte dem Engel, wo immer er gerade sein mochte, ein dankbares Lächeln zu.
Einem inneren Impuls folgend, erhob ich mich, zog meine Kleidung aus, legte die Dattel behutsam in die obere Schublade vom Nachtschränkchen und betrat ebenfalls das Bad. Ein leichter Nebel empfing mich. Ich vernahm das Rauschen des Wassers und ein leises Summen hinter der Glastür der Dusche. Falls ich gehofft hatte, ihn überraschen zu können, wurde mir mit dem Öffnen der Duschkabine das Gegenteil bewiesen. Eine Hand schnellte aus dem Nebel, umfasste mein Handgelenk und schon wurde ich in die Dusche gezogen.
Sogleich befand ich mich in einer festen Umarmung und Darians Lippen fanden meine, während das heiße Wasser von allen Seiten auf uns nieder rauschte.
»Du solltest die Kabine schließen«, murmelte ich gegen seinen Mund. »Sonst haben wir gleich eine Überschwemmung.«
»Das ist mir im Augenblick ziemlich egal«, brummte er zurück und tat doch, was ich vorgeschlagen hatte. Zudem verringerte er die Intensität des Wasserfalls, damit ich nicht alles ins Gesicht bekam. Dann lagen seine Hände wieder auf meinem Körper und er zog mich fest an sich. Sein Blick suchte meinen und leise fragte er mit einer Spur Unglaube in der Stimme: »Du hast mich tatsächlich vermisst?«
»Nein«, konterte ich ironisch. »Wie kommst du darauf? Wieso sollte ich dich in irgendeiner Weise vermissen? Wieso sollte es mir Sorgen bereiten, dass ein Untoter in seine sichere Vernichtung laufen könnte?«
»Ja.« Ich hörte ihn leise lachen und
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