Schatten Blut
wir Darian persönlich begleitet. Was glaubst du, wie lange wir überlebt hätten?«
»Keine fünf Minuten vermutlich«, murmelte Dad, trat wieder hinter mich und legte erneut seine Hände auf meine Schultern.
Mich an ihn lehnend, nahm ich die Federn in die Hände, konzentrierte mich auf Darian und murmelte den bereits bekannten Spruch: »Nur sehen, nicht gehen!«
– Kapitel Dreiundfünfzig –
D as Erste, was ich sah, waren die Lichtkegel eines Fahrzeuges, das eine lange einsame Straße entlang fuhr. Die im Lichtschein vorbei fliegenden Bäume zeigten an, dass Darian nicht gerade langsam unterwegs war. Es dauerte keine fünf Minuten, da verringerte der Wagen seine Geschwindigkeit. In einiger Entfernung wurden steinernen Säulen sichtbar, die kurz darauf als Einfahrt dienten. Heller Kies leuchtete im Scheinwerferlicht auf, während Darian den Wagen langsam über den etwas holprigen Weg lenkte. Vereinzelt säumten Bäume und Büsche den Wegesrand, und kurze Zeit später hoben sich die Umrisse eines stattlichen Herrenhauses in der Ferne dunkel gegen den Nachthimmel ab. Die vielen, hell erleuchteten Fenster ließen dieses Haus wie ein großes Ungeheuer mit vielen Augen erscheinen. Wie treffend, dachte ich ironisch.
Kurz vor dem Haus brachte Darian den Wagen neben einer Reihe anderer Fahrzeuge zum Stehen. Er stellte den Motor ab und stieg aus. Dann wandte er sich der breiten Treppe zu, die auf eine große, schwere Flügeltür zuführte und die ich schon einmal gesehen hatte. Kaum hatte Darian die Treppe erklommen, schwang die Tür auf und ein dem Mittelalter gemäß gekleideter Mann, in einem übertriebenem weißem Rüschenhemd und schwarzer Pumphose, weißer Strumpfhose und schwarzen Lackschuhen, zudem mit weißer Perücke und geckenhaft geschminktem Gesicht, ließ ihn passieren. Nur sein Lächeln ließ erkennen, dass auch er zu der Gattung Vampir gehörte.
Kaum hatte Darian die große Eingangshalle betreten, ging er geradewegs auf die breiten Flügeltüren neben der Treppe zu, die bei meinem damaligen Besuch verschlossen gewesen waren, heute weit offen standen. So gelangte er auf direktem Weg in den großen Saal, in dem sich bereits eine stattliche Anzahl von Gästen befand. Ihm begegneten viele, durch sämtliche Modeepochen gekleidete Vampire, die ihm teilweise zunickten, teilweise unfreundlich anstarrten. Darian selbst grüßte nur wenige von ihnen und ignorierte die meisten.
»Da ist ja der Bär los«, vernahm ich die Stimme meines Vaters und entgegnete in leicht zynischem Ton: »Wie das bei Events dieser Größenordnung nun mal so ist, Dad. Wann bekommt man schon mal die Hinrichtung eines Salubri geboten?«
»Bist du vielleicht etwas gereizt, Tochter?«
»Wie kommst du darauf, Dad«, gab ich trocken zurück, während ich Darian weiter beobachtete. »Ich hätte nicht übel Lust, da eine Bombe ’rein zu werfen.«
»Vergiss nicht, dass Darian auch dabei ist«, vernahm ich Dad hinter mir.
Ich zuckte ungerührt mit den Schultern. »Der ist resistent gegen Feuer, Dad!«
»Aber wohl kaum dagegen, in Stücke gerissen zu werden«, konterte Dad trocken.
»Sagte ich etwas von einer Splitterbombe?« brummte ich zurück.
Darian war auf einen hoch gewachsenen, dunkelhaarigen Vampir zugetreten und schüttelte dessen Hand. Recht deutlich konnte ich den Missmut in den Augen des anderen Vampirs erkennen. Noch traute ich mich nicht zu lauschen, doch allmählich interessierte mich, was dort gesprochen wurde. Bislang kam es mir so vor, als würde ich wie ein kleines, taubes Männchen auf Darians Schulter sitzen und alles aus seinem Blickwinkel beobachten. Ob es eine Möglichkeit gab, etwas allgemeiner sehen zu können?
Kaum gedacht, bekam ich das Gefühl, direkt unter die Decke zu schnellen und dort hängen zu bleiben.
»Was war das?« fragte Dad überrascht und seine Finger umfassten meine Schulter intuitiv fester.
»Ich habe wohl vom Zoom auf Weitwinkelobjektiv gewechselt«, murmelte ich selbst überrascht und schüttelte die Schultern. »Dad, das tut weh.«
Sofort ließ er lockerer. »Entschuldige.«
»Was ist das denn für einer?« wunderte ich mich, als ich einen außergewöhnlich erscheinenden Vampir auf Darian zukommen sah, dessen Zähne sich beim Lächeln – er lächelte doch hoffentlich – blitzend weiß von seiner fast ebenholzfarbenen Haut abhoben. Erstaunlich kontrastreich waren ebenfalls die schlohweißen, schulterlangen Haare, die er zu einem strengen Zopf gebunden trug. Sein schwarzer Smoking
Weitere Kostenlose Bücher