Schatten Blut
haben, wirbelte herum und packte mich hart an den Schultern. »Was hast du gesagt?«
Ich blinzelte ihn verstört an. »Julie sollte zu einem Naridatha gebracht werden.«
»Woher weißt du das?« fuhr er mich durch zusammengepresste Zähne an. Seine Finger drückten mir dabei schmerzhaft ins Fleisch. Ich schnappte scharf nach Luft und er ließ mich los. »Faye! Ich muss es wissen!«
»Ich habe es gehört. Ich hatte so eine Vision, oder auch Traum. Ich konnte –«
»Oh mein Gott!« Dad schlug sich die Hände vors Gesicht und ließ sich kraftlos auf das Bett sinken. »Nicht auch du, Faye. Nicht auch du!«
»Ist es nicht an der Zeit, dass Sie Ihrer Tochter die Wahrheit sagen, Mr. McNamara?« schaltete Ernestine sich nun ein. Sie legte mir eine Hand auf die Schulter und schob mich bestimmt aus dem Raum. Dann trat sie zu meinem Vater und legte ihm ebenfalls die Hand auf. »Gehen Sie ins Wohnzimmer und reden Sie mit Faye. Ich werde derweil Julies Sachen packen. Wenn Sie soweit sind, geben Sie mir Bescheid und ich werde das Mädchen wecken.«
Wie unter schweren Lasten erhob er sich und sah Ernestine dankbar an. »Sie schickt wirklich der Himmel, meine Liebe. Danke, dass Sie auf meine Mädchen aufgepasst haben. Und danke für die Runen an der Tür. Ich weiß nicht, was geschehen wäre, hätten Sie nicht …« Er brach ab und das erste Mal im meinem ganzen Leben sah ich so etwas wie Tränen in den Augen meines Vaters.
»Lassen Sie es gut sein«, gab Ernestine zurück, stellte sich auf die Zehenspitzen und tätschelte meinem Vater liebevoll die Wange. »Sie tun, was Sie tun müssen und ich das, was meine Aufgabe hier auf Erden ist. Und nun gehen Sie, Faye wartet.«
»Es tut mir leid, dass ihr in diese Sache hineingezogen werdet, Faye«, begann mein Vater bemüht sachlich. »Und besonders tut es mir leid, dass mein Bemühen um euren Schutz gescheitert ist. Ich konnte euch nicht schützen.«
»Welche Sache genau ist es, Dad, vor der du uns schützen wolltest? Wo sind wir da hineingeraten?«
Mühsam ließ er sich neben mir auf dem Sofa nieder und nahm meine Hand zwischen seine großen Hände. Er betrachtete sie kurz, sah mir dann in die Augen. »Sag mir zuvor, ob Julie auch diese Träume hat.«
»Ich glaube nicht. Sie hat sich bis zu dem besagten Tag vollkommen normal benommen. Ebenso hat sie mir gegenüber nie etwas in der Art erwähnt.« Als mein Vater irgendwie erleichtert wirkte, hakte ich nach: »Aber du hast diese Träume, nicht wahr?«
Er nickte und sah mich ernst an. »Es sind nicht wirklich Träume, Faye. Es sind Übergänge in eine andere Realität, die sich mit dieser hier überschneidet. Alles, was du dort erlebst, ist real. Und alles, was du dort siehst und erlebst, bringst du mit hierher, in deinen Wachzustand. Verwundungen dort sind auch hier vorhanden.«
Instinktiv fuhr meine Hand an mein Bein und mein Vater blickte mich verstehend an. »Du hast es also schon selbst erlebt. Ich hatte gehofft, dir das ersparen zu können.«
»Klär mich bitte auf, Dad!«
»Es ist eine Sache des Blutes, Faye. Eine Gabe und ein Fluch«, begann er leise. »Und es wird von einer Generation an die andere weitergegeben. Du entstammst einer sehr alten Ahnenreihe von Schattenjägern, Faye. Aus meiner Familie war ich derjenige, dem diese Bürde aufgetragen wurde. Der Preis dafür waren zwei gescheiterte Ehen. Ich hatte gehofft, dass durch meinen Rückzug meine Familie unbehelligt bleiben würde, dass ich den Fluch brechen könnte. Doch da habe ich mich wohl geirrt. Ihr seid genau zwischen die Fronten einer uralten Fehde geraten, Faye. Und du bist die vom Schicksal Auserwählte unter meinen Kindern, der diese Bürde nun ebenfalls aufgeladen wurde.« Seine Augen drückten den inneren Schmerz aus, der in ihm tobte und seine Stimme klang fast tonlos, als er hinzufügte: »Es tut mir sehr leid, dass ich nicht da war, um dir beizustehen.«
»Es ist nicht deine Schuld, Dad«, fühlte ich mich gezwungen, ihm zu versichern und drückte verstehend seine Hand. »Du hast mir immer gesagt, dass nur den härtesten Charakteren die schwersten Schicksale auferlegt werden. Wenn es also mein Schicksal ist, diese Bürde zu tragen, dann werde ich es auch tun können. Lehre mich, was du weißt, Dad, und wir sehen, wie wir aus dem Mist wieder rauskommen.«
Er lachte leise und küsste mich auf die Stirn. »Das ist ganz mein Mädchen! Aber eines kann ich dir gleich sagen: Aus dem Mist kommst du leider nie wieder raus, bist du erst einmal
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