Schatten Blut
Darian trat vom Fenster fort und auf mich zu. Er lehnte sich an die Rückenlehne des Sessels und wie zufällig fiel seine Hand auf mein Knie. »Du hast die Briefe übersetzen können?«
»Ja, zumindest zum größten Teil. Was machst du da?« Dort, wo seine Hand lag, wurde es sehr warm und kleine Stromschläge schienen durch mein ganzes Bein zu schießen.
»Ich bringe deine Blutzirkulation wieder in Gang.« Er legte die Hand auf mein anderes Knie und auch von dort schossen sogleich diese Stromschläge das Bein entlang. »Besser?«
Ich wackelte mit den Zehen. »Ja, viel besser. Kann ich das lernen?«
»Das und noch viel mehr.« Die Hand verschwand von meinem Knie und er trat nun direkt vor mich. »Bist du bereit für weitere Lektionen?«
»Nur, wenn sie nicht wieder wehtun.«
»Das, mein Schatz«, meinte er schmunzelnd, »liegt ganz allein an dir.«
W ieder einmal führte Darian mich in das Kellergewölbe. Die Erinnerungen an Julies Tod waren hier besonders lebendig und mich schauerte. Doch verbarg ich es tapfer und lief ihm durch den Hauptgang hinterher. Inzwischen ärgerte es mich, dass ich keine Schuhe angezogen hatte, denn der Boden war recht kalt.
Da bog Darian vom Hauptgang nach rechts in einen schmalen Nebengang ab. Für einen kurzen Moment noch sah ich sein blondes Haar, dann war er verschwunden. Hurtig eilte ich ihm nach, in den Gang hinein, vernahm ein fernes Klicken und stand plötzlich im Dunkeln. Jemand hatte das Licht ausgemacht!
»So ein Mist!« fluchte ich leise und tastete um mich. Jeder vernünftige Raucher hatte ein verfluchtes Feuerzeug in der Tasche! Warum bloß hatte ich es mir abgewöhnt?
»Darian?« flüsterte ich und versuchte, das Dunkel zu durchschauen. Nichts als tiefste Schwärze starrte mir entgegen. Mir wurde mulmig. »Darian? Bist du da?«
Kein Laut. Schweigen. Nicht das geringste Geräusch. Sah ich mal vom Hämmern meines Herzens ab.
»Verdammt noch mal, lass den Quatsch! Darian, bitte!«
Keine Reaktion. Er musste doch wissen, dass ich mich hier nicht auskannte. Wie konnte er mich nur allein lassen? Nein, nicht heulen! Ich war erwachsen, kein Kleinkind mehr! Geister gibt es nicht! Oder doch? Etwas huschte an meinen nackten Füßen vorbei und mit einem spitzen Schrei sprang ich beiseite. Erst stieß ich mit dem Kopf an die Wand, dann rammte ich mir die Schulter und fiel schließlich vornüber auf die Knie. Im Abfangen schrammte ich mir die Handflächen auf dem harten Boden auf.
Für einen Augenblick blieb ich sitzen, wo ich war. Geschockt, verschreckt, unfähig zur Bewegung. Ich fühlte mich wie ein Häufchen Elend, voller Angst und Schrecken, voll der Erinnerungen an die Monster aus meinen Kindertagen. Alles kam in mir hoch, rollte über mich hinweg und lähmte mich.
Ein leises Piepsen und etwas Pelziges an meiner Hand brachten mich in Schwung. Panisch aufschreiend, rollte ich herum, trat und schlug wahllos um mich. Ratten? Oh Gott! Ich sprang auf, vernahm ein Reißen. Ich rannte los, kollidierte mit einer Wand, fiel wieder hin und rappelte mich erneut auf. Wieder ein Hindernis, diesmal auf der anderen Seite. Etwas griff nach mir, wickelte sich um meine Füße. Ich schrie, strampelte und konnte mich befreien.
Ich wollte nur noch raus hier! Raus aus der Dunkelheit und zurück ins Licht!
Beruhige dich, Faye! rief ich mich selbst zur Ordnung. Irgendwo war hier der Ausgang. Er musste doch ganz in der Nähe sein! Oder zumindest der Hauptgang. Da war ein Lichtschalter. Ganz bestimmt war da ein verdammter Lichtschalter!
»Scheiße, Scheiße, Scheiße!« schimpfte ich verzweifelt vor mich hin und krabbelte auf allen Vieren voran, eine Hand tastend vorgestreckt. Ich berührte irgendetwas Glitschiges und zuckte verschreckt zusammen.
Keine Panik, Faye! riet ich mir selbst. Egal, was es ist, du willst es nicht wissen! Kriech einfach nur weiter.
Je weiter ich kroch, desto ärgerlicher wurde ich. Es war wirklich eine Frechheit, mich so zu behandeln! Er wusste doch, dass ich hier fremd war, quasi völlig verloren ohne Führung. Und trotzdem überließ er mich meinem Schicksal. Nein, es war wirklich eine bodenlose Frechheit!
»Oh verflucht! Darian Knight, wenn ich dich in die Finger kriege, dann … dann.. dann zerschneide ich dein Lieblingshemd mit der Schere in viele, kleine Schnipsel!« brummte ich inzwischen wütend vor mich hin. »Und die spüle ich dann im Klo runter. Und danach werde ich den Rosengarten plündern und Jason petzen, dass du das gewesen bist! Jawohl! Das werde
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